Brüderpaar Kovac will Eintracht retten
Frankfurt/Main (dpa) - Wer hier der neue Chef ist, merkt jeder sofort. Frankfurt, Stadtwald, im Schatten des Stadions: Über den Trainingsplatz von Eintracht Frankfurt donnern die Flugzeuge, und unten auf dem Rasen kämpft die Stimme von Niko Kovac gegen diesen Lärm an.
„Näher an den Gegenspieler heran!“, ruft der neue Trainer des stark abstiegsbedrohten Vereins. „Wenn du hier stehst, aber der Ball dorthin kommt“, sagt er zu einem Spieler, „dann kriegt den nicht mal Usain Bolt.“ Kovac gibt strenge, präzise Anweisungen. Sein Bruder und Co-Trainer steht mit verschränkten Armen daneben und schaut zu.
Kovac-Bruder? Es gibt in der Fußball-Bundesliga Trainer, die übernehmen ihren Assistenten einfach von ihrem Vorgänger. Es gibt in der Fußball-Bundesliga auch Trainer, die überlassen die tägliche Arbeit diesem Assistenten und beobachten dann in aller Stille, was auf dem Platz passiert. Bei der Eintracht versucht man seit drei Wochen etwas völlig Anderes. Niko und Robert Kovac sind das erste Brüderpaar auf der Trainerbank eines Bundesliga-Clubs, seit Friedhelm und Wolfgang Funkel 2001 gemeinsam für Hansa Rostock arbeiteten.
„Unser Vertrauen könnte nicht größer sein“, sagt Niko Kovac, 44 Jahre alt und damit zweieinhalb Jahre älter als sein Bruder. „Das war schon als Spieler so, als er als Verteidiger auf dem Platz immer hinter mir stand. Und genauso ist das jetzt auch im Trainerteam.“
Die Kovac-Brüder wurden in Berlin geboren. Ihre Eltern waren kurz zuvor aus dem früheren Jugoslawien ausgewandert. Beide sagen über sich, dass sie als Trainer genauso ticken wie vorher als Spieler und auch als Privatmensch: Ehrgeizig, willensstark, diszipliniert, direkt. Beide haben es als Spieler in die Bundesliga und in die kroatische Nationalelf geschafft. Als Trainer führten sie Kroatien zur WM 2014. Eintracht Frankfurt vor dem Abstieg zu retten, dürfte aber die bislang größte Herausforderung ihres Berufslebens sein.
Ihre neue Mannschaft ist nur Vorletzter. Der nächste Gegner heißt am Samstag Bayern München. Das werde „sehr, sehr, sehr schwierig“, meint Niko Kovac. Die Betonung liegt auf dem dreifachen „sehr“.
Der FC Bayern ist wieder so eine besondere Geschichte im Leben der beiden Brüder. Dort spielten sie von 2001 bis 2003 zusammen. Robert blieb noch zwei Jahre länger in München und ging danach zu Juventus Turin und Borussia Dortmund. Das zeigt, dass der jüngere von beiden der erfolgreichere Spieler war, was im Fußball auch nicht häufig vorkommt, sieht man einmal von den Schweinsteigers oder Boatengs ab.
Jetzt hat sich die Rollenverteilung wieder geändert. „Mein Bruder ist im Vordergrund, er ist der Cheftrainer“, sagte Robert Kovac der „Frankfurter Rundschau“. Er fühle sich „ganz wohl“ dabei. „Ich möchte das Bindeglied zwischen dem Cheftrainer und den Fußballern sein.“
Niko beschreibt die Zusammenarbeit so: „Robbie und ich entscheiden vieles gemeinsam. Zwei Köpfe wissen mehr als einer, und vier Augen sehen mehr als zwei.“ Klar sei aber auch: „Vor die Mannschaft trete ich. An der Seitenlinie darf auch nur einer stehen.“
Friedhelm Funkel war früher auch bei der Eintracht - ohne Wolfgang. Er wollte den eigenen Bruder eigentlich nie in seinen Trainerstab holen. „Das würde nicht gut gehen“, sagte er mal. „Die Spieler hätten das Gefühl, der eine trägt dem anderen ständig etwas zu.“
Auch Niko und Robert Kovac haben sich lange darüber unterhalten: Passt das zusammen? Wollen wir weiter ein Team bilden? „Wir haben den gleichen Vater, die gleiche Mutter, die gleiche Erziehung, das prägt“, sagt Niko. „Trotzdem gibt es Unterschiede. Er beobachtet sehr viel. Er sieht manchmal Dinge, die ich nicht sehe. Er bewertet vieles anders. Wenn wir beide gleich wären, dann bräuchte ich ihn nicht.“
Während des Trainings wirft Niko seinem Bruder ein Trikot zu. Robert spielt manchmal noch selbst mit. Bei ihm sieht man nicht sofort, dass er der Co-Trainer ist. Robert Kovac ist noch erstaunlich fit, einige witzeln in Frankfurt, sein Bruder müsse ihn unbedingt aufstellen. Doch wenn es um ihre Arbeit geht, machen die beiden keine Witze. „Nee, nee“, meint Robert nur. „Da hält die Pumpe nicht mehr mit.“