Hertha-Trainer Dardai: „Falscher Ehrgeiz führt in die falsche Richtung“
Berlin (dpa) - Hertha-Coach Pal Dardai tankt derzeit in seiner ungarischen Heimat neue Energie für die Rückrunde. Im Interview der Deutschen Presse-Agentur spricht der 40-Jährige über falscher Ehrgeiz, den Rat von Sportpsychologen und den Glücksfaktor.
Sie sind über den Jahreswechsel in Ungarn. Können Sie in ihrer Heimat am besten abschalten?
PalDardai: Ja. Bei meiner Oma, das kostet keine Kraft. Da kannst du dich ausruhen. Da gibt’s nur Familienstress. Aber der ist nur positiv.
Wie sieht der Familienstress aus beispielsweise am Silvesterabend?
Dardai: Da treffen wir uns immer mit guten Freunden. Da wird gegessen, da gibt’s Live-Musik, da wird viel getanzt. Da muss ich auch immer ran, das ist für mich Arbeit.
Sie haben immer gesagt, Ihr Vater sei nach wie vor ein wichtiger Bezugspunkt. Wird über den Jahreswechsel dann auch nur über Fußball diskutiert?
Dardai: Wir reden über viele Dinge, doch am Ende landen wir immer wieder beim Fußball.
Wie sehr beeinflusst Sie Ihr Vater?
Dardai: Nehmen wir mal das Beispiel Salomon Kalou. Mein Vater hat mir gesagt: Den musst du doch spielen lassen. Ich habe geantwortet, dass Salomon noch Zeit braucht nach den Trauerfällen. Dann ist mein Vater extra nach Berlin gekommen, um sich das Training anzugucken. Später riet er mir: Lass ihn eine Halbzeit lang spielen. Und dann macht Salomon drei Tore.
Wie ist das Verhältnis zur Mannschaft, das oft kollegial wirkt?
Dardai: Die Spieler sollen keine Hemmungen oder Angst haben. Sie sind frei. Wichtig ist, dass man das Maximum rausholt. Bei älteren Spielern muss man ab und zu motzen, damit sie 100 Prozent geben. Bei jungen Spielern reicht es nicht nur zu motivieren, die musst du auch lenken und leiten.
Sie haben Hertha auf ein neues Niveau gebracht. Werden Sie jetzt innerhalb und außerhalb des Vereins anders wahrgenommen nach dem Motto: Das ist jetzt lange kein Lehrling mehr?
Dardai: Ich lese keine Zeitung, lasse mein Leben nicht manipulieren. Ich versuche, ein Mensch zu bleiben und ein Trainer zu sein, wie ich es mir als Spieler vorgestellt habe.
Wie würden Sie ihre Arbeit beschreiben?
Dardai: Ich habe von vielen Trainern etwas Positives mitgenommen, weiß aber auch, was schlecht war. Ich versuche, jeden Spieler gleich zu behandeln. Ich bin zielstrebig, nicht ehrgeizig, weil falscher Ehrgeiz einen in die falsche Richtung bringt.
Sie haben bisher ohne Sportpsychologen gearbeitet, was viele Vereine machen. Ist das ein Thema für die Rückrunde?
Dardai: Ich hole mir schon Rat, entscheiden muss ich aber letztlich selbst. Wir haben aus dem letzten Jahr sehr viele positive Dinge mitgenommen. Dieses Jahr gewinnen wir Spiele mit Ruhe, drehen Spiele. Ein Sportpsychologe kann viel machen, am Ende sagt er aber auch: Viel Glück!
Sie sind in Berlin inzwischen ein Promi. Müssen Sie sich schon verstecken im Alltag?
Dardai: Ja, es ist deutlich mehr geworden. Zum Beispiel war mein Papa jetzt hier und da sind wir zum Weihnachtsmarkt gegangen. Da habe ich die Mütze tief ins Gesicht gezogen, bin aber trotzdem erkannt worden.
Wie schwer würde es Ihnen fallen, irgendwann mal Hertha BSC zu verlassen? Oder werden Sie der Arsène Wenger von Hertha?
Dardai: Ich habe einen unbefristeten Vertrag. Aber wenn der Punkt kommen sollte, an dem man den Verein verlassen muss, dann ist das eben so. Das ist bei jedem Trainer so, dass er irgendwann gehen muss. Ich genieße hier die Stadt, alles ist schön. Meine Familie fühlt sich wohl, ich könnte auch wunderbar wieder zurück zur Nachwuchsarbeit gehen.
Zur Person: Der 40 Jahre alte Pal Dardai ist seit 5. Februar 2015 Cheftrainer bei Hertha BSC und legte sechs Monate später das Amt des ungarischen National-Coaches nieder. Der in Pecs geborene Ex-Profi hält mit 286 Spielen nach wie vor den Hertha-Rekord an Bundesliga-Einsätzen. Dardai ist verheiratet und hat drei Söhne.