Debatte um Reus-Verletzung lässt Emotionen hochkochen

Berlin (dpa) - Bei Borussia Dortmund haben sich die erregten Gemüter vorerst wieder beruhigt, Marco Reus sendete sogar eine hoffnungsvolle Online-Botschaft. In der Fußball-Bundesliga hat die erneute schwere Verletzung des Nationalspielers aber eine heftige Debatte ausgelöst.

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In das große Mitgefühl für Reus, der durch seine Knöchelblessur nach dem Foul von Paderborns Marvin Bakalorz erst 2015 wieder spielen kann, mischt sich ein provokanter Vorschlag, der einen Grundsatz im Profi-Fußball erschüttern würde.

„Den Bakalorz musst du bis Weihnachten aus dem Verkehr ziehen“, machte sich Ex-Profi Dietmar Hamann beim TV-Sender Sky mit drastischen Worten zum Fürsprecher der Idee einer nachträglichen Sperre des Foul-Sünders analog zur Ausfallzeit des verletzten Spielers. Auch das Fachmagazin „Kicker“ schloss sich am Montag dieser Forderung an und kommentierte den Aufreger des Bundesliga-Wochenendes mit der Schlagzeile: „Sperre bis zur Genesung!“

Realistisch ist dieser Vorschlag nicht - und auch dem Fair Play wäre er wohl wenig zuträglich. Manipulationen durch künstlich verlängerte Ausfallzeiten eines Ersatzspielers zulasten eines Top-Akteurs eines Kontrahenten wären denkbar. Zum Beispiel: Eine dann denkbare halbjährige Zwangspause eines Starspielers vom Format eines Arjen Robben, Robert Lewandowski oder Mats Hummels bei einem Ausfall von Bundesliga-Nebendarstellern aus Paderborn, Bremen oder Freiburg würde einen Proteststurm nicht nur in München oder Dortmund auslösen.

Auch könnten Spieler lange gesperrt werden, wenn ein eigentlich harmloser Zweikampf dramatische Folgen wie einen Kreuzbandriss hätte, beschrieb Alexander Rosen, Direktor Profifußball bei 1899 Hoffenheim, bei Sky ein mögliches Szenario. Die Sportgerichtsbarkeit würde mit Klagen überschüttet und die Referees weiterer Autorität beraubt. Zudem würden wie bei der laufenden Dauerdebatte um die umstrittene Auslegung der Handspiel-Regel eine Grauzone im Regelwerk entstehen.

In der Aufregungskultur des glitzernden Profi-Fußballs ist die Idee ein gut zu vermarktender Reflex. Im Kern erinnert sie an die riesige Aufregung nach dem Foul des Kolumbianers Juan Zúñiga im WM-Viertelfinale an Brasiliens Superstar Neymar, für den das Turnier wegen eines Wirbelbruchs beendet war. Zúñiga sah wie Bakalorz die Gelbe Karte - die Fußball-Welt schäumte und forderte eine härtere Sanktion - letztlich wohl hauptsächlich wegen des prominenten Opfers. Eine Forderung der Brasilianer nach einer Sanktion gegen Zúñiga scheiterte noch während des Turniers in allen Instanzen.

Aus der wieder am Pranger stehenden Referee-Zunft hatte der frühere italienische Top-Referee und heutige Schiedsrichter-Koordinator Pierluigi Collina allerdings bereits im Mai eine Light-Version zum gleichen Thema ins Spiel gebracht: Bei einer Verletzungsunterbrechung solle der foulende Spieler so lange an der Seitenlinie warten müssen, bis der gefoulte Akteur auf das Feld zurückkommt. Auf der Tagesordnung der großen Fußball-Verbände steht das Thema aber nicht.

In der Bundesliga finden die Stimmen wieder Gehör, die einen besseren Schutz der technisch versierten Stars fordern. „Es fällt ganz klar auf, wie unfassbar Marco Reus attackiert wird und wie milde dagegen die Strafen sind. Wir müssen solche Ausnahmespieler besser schützen“, forderte BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke in der „Bild“-Zeitung. „Wenn das mein Spieler wäre, würde ich mich auch aufregen“, sagte HSV-Coach Josef Zinnbauer.

Bakalorz hatte seine Attacke aufrichtig bereut und auch Schiedsrichter Wolfgang Stark seinen Irrtum im Strafmaß nachträglich eingeräumt. Reus - der wegen Knöchelverletzungen nicht nur die WM verpasst hatte, sondern auch in der laufenden Saison schon mehrere Wochen pausieren musste - äußerte sich am Montag schon wieder optimistisch. „Hey Leute, erstmal es geht mir trotz der Umstände ganz gut. Ich komme wieder!!! Danke für eure vielen tollen und lieb gemeinten Genesungswünsche. Bis bald. Marco!“, schrieb er auf seiner Facebook-Seite.