Der Meistersekt ist kalt gestellt

Borussia Dortmund gewinnt beim FC Schalke 04 mit 2:1, wehrt aber alle Glückwünsche zum Titel energisch ab.

Gelsenkirchen. Es muss ein befreiendes Gefühl für Sebastian Kehl gewesen sein. Der Druck auf ihn hatte sich arg zugespitzt. Doch an diesem Nachmittag in der Schalker Arena konnte er sich davon befreien. „Ich hoffe, mein Sohn hat zugeschaut“, sagte der Dortmunder Mittelfeldspieler. „Der hatte mich zuletzt immer dafür kritisiert, dass ich kein Tor geschossen habe.“

Der fünfjährige Luis wird wohlwollend zur Kenntnis genommen haben, dass sein Papa den entscheidenden Treffer zum 2:1 im 140. Revierderby beim FC Schalke 04 erzielt hatte. Jefferson Farfan und Lukas Piszcek hatten die weiteren Treffer markiert. Borussia Dortmund steht mit diesem Erfolg unmittelbar vor der erfolgreichen Verteidigung des Meistertitels. Acht Punkte Vorsprung auf den FC Bayern, eigentlich gäbe es für die Dortmunder nun Grund genug, eine Spur Begeisterung an den Tag zu legen. Doch die Reaktionen der Verantwortlichen blieben zurückhaltend. „Wir sind dem Titel ein Stück näher gekommen“, sagt Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke.

Und Trainer Jürgen Klopp wurde fast ungehalten, als er gefragt wurde, ob die Meisterschaft nun entschieden sei: „Ich habe zwar kein schlechtes Gefühl, aber es ist noch nichts entschieden.“ 25 Spiele in Folge ohne Niederlage, aber der BVB ist eben auch ein Meister des Understatments. Diese Art der Kommunikation ist ein wesentlicher Bestandteil der Strategie des Klubs, die geradezu im Widerspruch steht zu der leidenschaftlichen Herangehensweise der Spieler an das Projekt Titelverteidigung. „Gier der Spieler auf allerhöchstem Niveau“, nennt es Klopp.

Die Dortmunder Zurückhaltung wirkt gerade in diesen Tagen, in denen der BVB mit Mut, Nervenstärke und unbändigem Willen den FC Bayern in die Schranken gewiesen hat, fast schrullig. Andererseits dient die Zurückhaltung dem Schutz vor steigenden Ansprüchen im Umfeld. Die Dortmunder haben sich mit dieser beeindruckenden Saison als Konkurrent des Rekordmeisters aus München etabliert, der auch auf dem Transfermarkt eine echte Alternative geworden ist.

Gladbachs Marco Reus, an dem auch München Interesse bekundet hatte, entschied sich nicht zuletzt ab der kommenden Saison für den BVB, weil er glaubt, dass „das für meine Entwicklung der richtige Verein ist“.

Die Dortmunder gelten bei den Spitzenspielern als echte Alternative zum FC Bayern. Ab der kommenden Saison werden die Dortmunder dann aber auch im internationalen Wettbewerb mit anderen Maßstäben gemessen werden. Gingen sie in dieser Saison noch als Überraschungsmeister und als eine Gruppe von Neugierigen in der Champions League durch, würde ein nochmaliges Scheitern kritischer bewertet werden. Den Status eines talentierten Lehrlings haben sie mit Abschluss der laufenden Saison endgültig abgelegt. „Das Ergebnis in der Champions League hatten wir uns auch anders vorgestellt. Wir haben jetzt unsere Erfahrungen gesammelt. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir in der kommenden Saison dort eine andere Rolle spielen werden“, sagt Hans-Joachim Watzke.

Am kommenden Samstagabend besteht die erste Möglichkeit, Fakten gegen Borussia Mönchengladbach zu schaffen. Bis dahin tun alle Beteiligten so, als sei noch nichts passiert. Erst am 13. Mai nach dem Pokalfinale gegen den FC Bayern wird es die offizielle Meisterfeier geben. Der Sekt ist aber schon längst kalt gestellt.