Die Gründe für Schalkes Krise

In Hannover gehen die Königsblauen leer aus. Symbol der Misere ist Julian Draxler, der mit 19 Jahren ein Führungsspieler sein soll.

Hannover. Der Mannschaftsbus wartete bereits, aber Jermaine Jones hatte nach dem 1:2 bei Hannover 96 noch etwas zu sagen.

„Wir reden hier immer über unser großes Talent. Aber zum Fußball gehören auch Wille und Leidenschaft“, sagte der Schalker. „Wir haben in der Halbzeit darüber gesprochen. Der Trainer hat etwas gesagt, aber auch der ein oder andere ältere Spieler. Dann ging es deutlich besser.“

Die Einlassungen des Mittelfeldspielers ließen einen tiefen Blick in das Innerste des Teams zu. Die Hierarchien haben sich noch nicht herauskristallisiert — weil die Vereinsführung neue Wege gehen will und ihr Vertrauen in junge Talente setzt.

Allerdings bringt dieser Strategiewechsel mehr Probleme mit sich als erwartet. Julian Draxler, das große Talent und Eigengewächs, ist ein Beispiel für die Ungereimtheiten, die sich innerhalb des Teams ausgebreitet haben.

Anfang Mai hatte Manager Horst Heldt den Vertrag mit Draxler unter großem Brimborium — acht Kleinlaster fuhren mit dessen Konterfei durch das Ruhrgebiet — bis 2018 verlängert. Im Zuge der Verlängerung hat ihm der Manager nicht weniger als eine wichtige Führungsrolle zugesprochen.

Seitdem läuft Draxler seiner Form hinterher und kann die Rolle nicht ausfüllen. „Ich bin mit meiner Leistung auch nicht zufrieden, da kann sicher noch mehr kommen“, sagte er nun. Es kam sehr viel, wohl zu viel, zusammen für einen 19-Jährigen.

Und auch seine alteingesessenen Kollegen wunderten sich über derartige Vorschusslorbeeren: „Man muss seine Leistungen in jeder Saison wieder bestätigen“, hatte Jones bereits vor Saisonstart gesagt.

Dazu haben sich die Probleme, die die Schalker in der vergangenen Saison bereits beklagten, keineswegs verbessert. 50 Gegentreffer kassierten sie in der Vorsaison, nach drei Bundesligapartien sind es bereits neun. Es sollte eine der wichtigsten Aufgaben von Trainer Jens Keller werden, diese Anfälligkeit zu verbessern. Bisher ist es ihm nicht gelungen.

Welch große Probleme die Defensivabteilung hat, war in der ersten Hälfte in Hannover zu beobachten — vor und nach der Roten Karte für Benedikt Höwedes nach 14 Minuten. Nahezu jeder lange Pass der Niedersachsen erreichte die Kollegen.

Die Schalker Innenverteidiger überboten sich in Stellungsfehlern. Die Außenverteidiger Tim Hoogland und Christian Fuchs waren erneut ein Sicherheitsrisiko.

Hannover hätte mit etwas mehr Konzentration im Abschluss vier oder fünf Tor erzielen können. Aber es blieb bei den Toren von Szabolcs Huszti und Mamae Diouf. Zu den Defensiv-Problemen kommt das tempoarme und oft ideenlose Aufbauspiel.

Erst in der zweiten Hälfte kämpfte sich Schalke nach dem Treffer von Adam Szalai vor allem wegen seiner physischen Wucht in die Begegnung. Diese Eigenschaft hatte gegen den HSV noch zum 3:3 gereicht. Gegen 96 nicht mehr. Am Dienstag geht es zum Play-off-Rückspiel in Saloniki um den Einzug in die Champions League. „Das ist erst einmal das wichtigste Spiel der Saison“, sagte Draxler.