Fans schweigen gegen Sicherheitskonzept an
Frankfurt/Main (dpa) - Am Wochenende haben Randalierer im deutschen Fußball wieder einmal von sich reden gemacht - jetzt wollen die Fans schweigen. 12 Minuten und 12 Sekunden soll es nach dem Anpfiff in den Stadien der 1. und 2. Bundesliga an den nächsten drei Spieltagen still sein.
Unter dem Motto „Ohne Stimme keine Stimmung“ protestiert die Szene gegen das geplante Sicherheitskonzept, das die 36 Proficlubs bei ihrer Vollversammlung am 12. Dezember verabschieden wollen. Der Auftakt der Schweigeaktion am Wochenende in der 3. Liga fiel allerdings wenig spektakulär aus.
Einen Bärendienst erwiesen einige Störenfriede jenen Fan-Organisationen, die im Dialog mit ihren Vereinen und der Deutschen Fußball Liga (DFL) versuchen, die Differenzen bei dem Konzept „Sicheres Stadionerlebnis“ auszuräumen: Trotz des Pyrotechnikverbots hatten Anhänger mit dem Abbrennen von Bengalos bei den Spielen Schalke 04 - Eintracht Frankfurt und Fortuna Düsseldorf - Hamburger SV gefährliche Situationen heraufbeschworen. Bei Ausschreitungen rund um das Drittligaspiel FC Rot-Weiß Erfurt gegen Hansa Rostock waren am Samstag 46 Menschen verletzt worden.
Für die Anwesenheit der Justiz im Stadion plädierte Hans-Joachim Watzke. Bei Risikospielen wie dem Derby gegen Schalke 04 sollten ein Staatsanwalt und ein Richter dabei sein, sagte der Geschäftsführer von Borussia Dortmund während der Aktionärsversammlung. Randalierer könnten gleich eingesperrt werden. Dann komme der Betroffene in Erklärungsnot, wenn er morgens nicht zur Arbeit komme, statt wie üblich in seinem Umfeld aufzutreten, als wenn nichts geschehen wäre, erklärte Watzke.
Der Präsident des Bundesligaclubs Hannover 96, Martin Kind, fordert mehr Zeit in der Diskussion um die richtigen Maßnahmen. Die Absicht der Liga, bei der Mitgliederversammlung ein Sicherheitskonzept verabschieden zu wollen, hält er für verfrüht. „Wir sollten den Dialog weiter führen und den 12. Dezember als Entscheidungstag noch mal überdenken. Ich bin mir nicht sicher, ob dieser Termin wirklich sinnvoll ist“, sagte Kind im Interview mit der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“.
Kind wies zugleich darauf hin, wie wichtig es sei, dass der Fußball die Problematik nun selbst in die Hand nähme und löste. „Die Alternative wäre, dass uns die Politik die Spielregeln definiert. Dann hätten wir verloren.“
Fanvertreter beklagen zu wenig Mitspracherecht, die DFL verweist hingegen auf Gespräche mit Fan- und Sicherheitsbeauftragten sowie in der AG Fanbelange. Der erste Entwurf des Konzepts, der mittlerweile überarbeitet wurde, war bei einige Vereinen auf heftigen Widerspruch gestoßen. Die DFL will das Papier unbedingt am 12. Dezember durchbringen. Christian Seifert, Vorsitzender der Geschäftsführung, spricht von einer „ziemlich großen Kreuzung“, auf die der Fußball im Kampf gegen die Gewalt zulaufe. Die falsche Abzweigung wäre, „wenn nichts beschlossen wird. Dann wird seitens der Politik und der Polizei der Druck wieder steigen“, prophezeite der Spitzenfunktionär.
„Die in dem ersten Entwurf und auch in der überarbeiteten Fassung vom 15. November 2012 vorgeschlagenen Aktionen dienen einzig der Beruhigung der öffentlichen Wahrnehmung, nicht aber der Verbesserung der Sicherheit“, heißt es in einer von der Fanvertretung des 1. FC Kaiserslautern verschickten Pressemitteilung. „Dagegen zielen sie gegen den Erhalt der deutschen Fankultur und den dazugehörigen Elementen in den Stadien wie Stehplätze, Gesänge und Fahnen.“
Damit stehen die FCK-Anhänger beileibe nicht alleine da: Die Fanorganisationen „Pro Fans“ und „Unsere Kurve“ hatten vergangene Woche erneut Kritik an dem Konzept geübt. Bei einem Treffen von Ultra-nahen Gruppierungen von 47 Vereinen am Rande des offiziellen Fan-Treffens zum Thema Gewalt im Fußball am 1. November in Berlin wurden die zwölf Schweigeminuten beschlossen. „Wir gehen von einer flächendeckenden Aktion aus“, sagte Philipp Markhardt, Sprecher von „12doppelpunkt12“ und von „Pro Fans“. Am 8. Dezember seien zudem Demonstrationen in verschiedenen Städten geplant.
Auch der Widerstand bei den Vereinen ist noch nicht ausgeräumt. Zweitligist FC St. Pauli will erst mit Fan-Gremien diskutieren, um Anträge an die DFL-Vollversammlung stellen zu können. „Das aber ist in der Kürze der Zeit nicht zu realisieren“, sagte Teammanager Christian Bönig. Bei Dynamo Dresden sagte Präsident Andreas Ritter: „Klar ist, dass es eine pauschale Zustimmung oder voreilige Ablehnung bei einem so komplexen Thema nicht geben kann.“ Der 1. FC Union Berlin, einer der ersten und lautstärksten Kritiker, gibt derzeit keine eindeutige Stellungnahme ab. Laut Pressesprecher Christian Arbeit ist der Verein „mitten im Diskussionsprozess.“