Gestrenge Papafigur - Verbeeks Änderungen wirken
Nürnberg (dpa) - Seit der Winterpause legt Gertjan Verbeek noch wesentlich mehr Wert auf seine Verbundenheit zum 1. FC Nürnberg. Bei offiziellen Auftritten trägt der Niederländer nun regelmäßig weinrote Fanschals um den Hals - was eigentlich gar nicht seinem sonstigen Kleidungsstil entspricht.
Doch auf die Meinung von Modeberatern kommt es im Abstiegskampf der Fußball-Bundesliga auch nicht an, dafür auf ein Wir-Gefühl, große Geschlossenheit und Zusammenhalt. Und Verbeek ist als Trainer im Abstiegskampf der Franken das vielleicht entscheidende Element.
Rund vier Monate schon werkelt der kantige 51-Jährige fieberhaft am Nürnberger Aufschwung. Lange blieben die Ergebnisse wie bereits unter dem zuvor geschassten Michael Wiesinger mies, doch seit dem Rückrundenstart im Januar gibt es dank vieler struktureller Verbesserungen im Spiel der Franken auch endlich Drei-Punkte-Erlebnisse. Verbeek lässt höher verteidigen und schneller attackieren, seinen Profis verlangt er im Training auch physisch alles ab. Der Lohn sind vier Siege in fünf Spielen und eine enorme Ausdauer - zuletzt drehte sein Team gegen Braunschweig trotz früher Unterzahl einen Rückstand noch in ein 2:1.
Für Verbeek, in seiner Jugend acht Jahre lang Amateurboxer, sind Aggressivität und Laufbereitschaft entscheidende Faktoren. Er verlangt völlige Hingabe und Einsatzbereitschaft, Sorglosigkeiten hasst er. Gerade auch, weil es wie beim FCN die spielerisch herausragenden Kicker einfach nicht gibt. „Ich habe etwas anderes probiert, eine andere Philosophie als mein Vorgänger. Nicht besser, aber anders“, sagt Verbeek: „Und das haben meine Spieler in kurzer Zeit gut gemacht. Sie machen immer mehr Schritte nach vorne.“
Der Trainer hat seinen Profis nach ungezählten Niederschlägen im spanischen Winter-Trainingslager nicht nur Mut gemacht, sondern auch den Glauben zurückgegeben. Zu Raphael Schäfer & Co. ist der Mann mit der grauen Haarmähne wie ein strenger Papa, der einen seiner Jungs nie fallen lassen, aber auch nie überschwänglich loben würde.
Timo Gebhart wechselte er beim 1:0 in Augsburg erst ein und dann wieder aus, nur eine Woche später stand der Mittelfeldprofi sogar in der Startelf. „Ich habe ihm in Augsburg nicht deutlich gemacht, was ich auf dieser Position von ihm erwartet habe“, konstatierte Verbeek: „Das ist auch eine Niederlage für mich.“
Das Gemeinschaftsgefühl steht bei Verbeek über allem. Als Torwart Schäfer gegen Braunschweig zwei Elfmeter parierte und das Spiel damit entschied, verzichtete Verbeek auf überschwängliches Lob. Stattdessen führte er kritisch an, dass Kapitän Schäfer „anfangs auch Teil einer Mannschaft war, die sehr schlecht“ aufgetreten sei. Der Umgang mit dem Routinier skizziert Verbeeks Sozialkonzept, weder jemanden an den Pranger zu stellen noch herauszuheben. „Das Team ist emotional stark. Da kann man auch etwas direkter und härter sein als zu einer Mannschaft, in die man nicht so das Vertrauen hat“, sagt er.
Verbeek hat es geschafft, in nicht mal einem halben Jahr eine beachtliche Vertrauensbasis zu seinen Profis aufzubauen. Der Holländer kann zwar ähnlich autoritär wie sein Landsmann Louis van Gaal oder Nürnbergs Kulttrainer Hans Meyer auftreten, andererseits aber wirkt Verbeek nie hochmütig oder selbstgefällig. Er besticht stattdessen mit trockenem Humor und erstaunlicher Ehrlichkeit. „Ich bin auch sauer über mich selbst, ich muss auch noch lernen“, sagt er oft, wenn Dinge nicht klappen. Das rechnen ihm seine Spieler und die Öffentlichkeit an.