Gisdol startet in Hoffenheim: „Nicht viel entwickelt“
Zuzenhausen (dpa) - Die erste Bestandsaufnahme des neuen Hoffenheimer Nothelfers fiel ernüchternd aus. „Es hat sich viel getan hier, aber leider nicht viel nach vorn entwickelt“, sagte Markus Gisdol, der beim abstiegsbedrohten Fußball-Bundesligisten 1899 Hoffenheim das Traineramt übernommen hat.
Mit langen Reden will sich der Nachfolger des nach nur drei Monaten geschassten Marco Kurz nicht aufhalten, wie er schon bei seinen ersten Trainingseinheiten bewies.
Das Übungsgelände der TSG in Zuzenhausen ist für Gisdol ein Stück Heimat. Von 2009 bis 2011 trainierte er die Hoffenheimer U 23. Seine neue Aufgabe aber ist um einiges schwerer. Lautstark übernahm Gisdol sofort das Kommando auf dem Trainingsplatz. Aggressives Verteidigen lautete die erste Aufgabe für seine Schützlinge vor Gisdols kniffligem Debüt am Freitag gegen Aufsteiger Fortuna Düsseldorf. „Die Spielphilosophie von Hoffenheim habe ich in Fleisch und Blut“, verkündete Gisdol. Jetzt müssen die Spieler das noch verinnerlichen.
Der Neue fordert die Rückbesinnung zu bewährten Tugenden. „Wir haben damals bundesweit für den Fußball Anerkennung bekommen. Das war die Hoffenheimer Identität. Mit großen Worten Dinge rauszuhauen, das passt nicht zu Hoffenheim“, sagte Gisdol. Grundbedingung für die Zusage des früheren Junioren-Coaches war der „Bild“-Zeitung zufolge, dass neben Kurz auch Manager Andreas Müller sein Amt verliert.
Gisdols Geschichte ist die eines Aufsteigers. Als Aktiver kickte der Mittelfeldspieler meist in der Oberliga, bis eine schwere Knieverletzung ihn mit 27 Jahren zum Karriereende zwang. Er wechselte auf die Trainerbank. Auch dort begann der gelernte Groß- und Außenhandelskaufmann nicht in der Beletage, sondern in der Bezirksliga.
Über die Nachwuchsabteilung des VfB Stuttgart und Ulm führte sein Weg zu 1899 Hoffenheim mit Ralf Rangnick als Fürsprecher. Mit der U 23 schaffte er den Aufstieg von der Ober- in die Regionalliga, wurde in der nächsten Saison aber entlassen. Rangnick vergaß Gisdol nicht und nahm ihn als Co-Trainer mit zu Schalke 04. Dort blieb Gisdol von März 2011 bis Dezember 2012.
„Die Zeit bei Schalke war sehr lehrreich“, sagte Gisdol. „Speziell das Arbeiten sowohl mit jungen Talenten wie Draxler oder Holtby, aber auch mit Weltstars wie Huntelaar und Raúl. Aber es sind alles Menschen, die Gefühle haben und ernst genommen werden wollen und einen Plan haben wollen.“
Diesen Plan muss Gisdol nun in kürzester Zeit in Hoffenheim vermitteln. Sowohl kurzfristig, um den Klassenverbleib vielleicht doch noch zu erreichen, als auch mittelfristig, um die Planungen für die neue Saison voranzutreiben. Denn Gisdol soll unabhängig von der Liga einen kompletten Neuaufbau in Hoffenheim organisieren. „Spätestens nach der Saison müssen wir noch einmal alles umdrehen. Wir müssen fragen, welcher Spieler zu 1899 passt, auch vom Charakter.“ Gisdol wird Zeit benötigen, die seine Vorgänger nicht hatten. Die durchschnittliche Verweildauer der Nachfolger von Rangnick lag bei gerade einmal zehn Monaten.