Goldfinger Jentzsch - Bremen kein Bayern-Jäger

Augsburg (dpa) - Mit einer gesunden Hand hätte Simon Jentzsch auch nicht besser halten können. Der Torwart des FC Augsburg trieb die Bremer Angreifer beim glücklichen 1:1 für den Aufsteiger schier zur Verzweiflung - und das mit einem angebrochenen Ringfinger.

„Es war schmerzhaft, aber ich wollte unbedingt spielen“, berichtete Jentzsch. Natürlich habe er „die Verletzung im Hinterkopf“ gehabt. Aber in Aktion verdränge man das: „Man hat so viel Adrenalin im Körper.“ Eine Spritze linderte den Schmerz, ein Tape stabilisierte den Finger. „Wir haben Überstunden gemacht mit Physios und Ärzten, um die Schwellung rauszukriegen. Das ist ganz gut gelungen“, erzählte Jentzsch. Am Ende verzichtete der 35-Jährige sogar auf einen extra angefertigten Spezialhandschuh. „Vom Kopf her“ habe er sich mit seinem „normalen Handschuh“ einfach besser gefühlt. „Manche Sachen kann man nicht erklären“, meinte Augsburgs Goldfinger.

Ausgerechnet mit der verletzten rechten Hand lenkte er bei seiner ersten spektakulären Rettungstat einen Kopfball von Markus Rosenberg an die Latte (21.). Und in Bremens Sturm-und-Drang-Phase hielt er den Punkt für den FCA fest, als er gleich zweimal Claudio Pizarros 150. Treffer in der Fußball-Bundesliga vereiteln konnte (75./81.). „Simon war ein unglaublich starker Rückhalt für uns. Er hat uns den Punkt gerettet“, schwärmte FCA-Coach Jos Luhukay.

„Dafür, dass er einen kaputten Finger hatte, hat er gut gehalten“, lobte auch Werder-Boss Klaus Allofs zähneknirschend den Teufelskerl im Augsburger Kasten: „Wir sind verrückt geworden auf der Bank.“ Aber noch mehr wegen der eigenen Abschlussschwäche. „Im zweiten Durchgang waren wir total dominant, haben aber leider die Chancen nicht genutzt“, fluchte Pizarro. Nur bei seinem Kopfball aus nächster Nähe war auch Jentzsch in der 68. Minute machtlos gewesen.

Das Führungstor von Axel Bellinghausen (49.) genügte Augsburg vor 30 660 Zuschauern wieder nicht, um eine Woche nach dem Premierensieg in Mainz auch den ersten Heim-Dreier in der Bundesliga einzufahren. „Wenn man die letzte halbe Stunde betrachtet, war das für uns ein Punktgewinn. Bremen ist eine andere Kategorie als der FC Augsburg, das hat man da gesehen“, erklärte Jentzsch.

Für die Gäste war das Unentschieden zu wenig, um nach zuvor zwei Niederlagen wieder höhere Ansprüche formulieren zu können. „Wir sind kein Bayern-Jäger“, stellte Kapitän Clemens Fritz fest. „Wir müssen Spiele gewinnen, vorher müssen wir nicht auf die Tabelle schauen“, bemerkte auch Allofs.

Trainer Thomas Schaaf sieht seine Mannschaft trotzdem immer noch auf einem guten Weg. „Wir haben schon viele gute Momente in unserem Spiel, bringen uns aber auch noch zu häufig in Not.“ Wie beim 0:1, das Andreas Wolf mit einem folgenschweren Ballverlust verschuldete. „Das war mein Bock“, gab der Innenverteidiger zu.

Die Augsburger bewiesen mit Leidenschaft und Teamwork, dass das Unternehmen Klassenverbleib nicht zum Scheitern verurteilt sein muss, auch wenn es ohne Heimsiege auf Dauer nicht reichen wird. Das 1:0 in Mainz hatte befreiend auf die Mannschaft gewirkt. 60 Minuten lang ging gegen Bremen zudem der Schachzug des Trainers mit zwei defensiven Dreierketten auf. „Gegen einen Gegner, der ein Stück mehr Qualität hat, muss man mit einem Punkt leben können“, betonte Luhukay: „Die Mannschaft hat den Glauben an sich, in der Bundesliga bestehen zu können.“ Mit einem Goldfinger im Tor könnte das Wunder gelingen.