Gomez, Poldi, Reus obenauf - Magath unten durch
Frankfurt/Main (dpa) - Nur eine Trainerentlassung, kesse Kicker wie Marco Reus und Mario Götze und der Absturz des Felix Magath: Die Bundesliga-Vorrunde, die am Samstag zu Ende geht, war wieder einmal einzigartig - und hatte ihre ganz besonderen Protagonisten:
GEWINNER:
Lukas Podolski: Erst nahm man Kölns Kultkicker die Kapitänsbinde weg, dann lief er immer mehr zu Hochform auf. Mit 14 Toren und fünf Vorlagen hat der 26-jährige Nationalstürmer schon vor dem Vorrunden-Ende einen persönlichen Saisonrekord aufgestellt. Kein Wunder, dass Schalke 04 „Gedankenspiele“ über seine Verpflichtung anstellt. „Wenn ich Köln verlasse, reizt mich auf jeden Fall das Ausland“, sagt Prinz Poldi, der bis 2013 unter Vertrag steht.
Mario Gomez: „Fußballer des Jahres 2007“, Torschützenkönig 2011 mit 28 Volltreffern - und auch 2012? Mit 15 Toren liegt der 50-fache Nationalspieler bereits vor Vorrunden-Schluss so gut im Rennen wie nie zuvor und mit dem FC Bayern auf Kurs Herbstmeisterschaft. Gomez kann nach versemmelten Chancen sogar „über mich selbst lachen“. In der DFB-Auswahl kämpft der Deutsch-Spanier mit einem „italienischen“ Konkurrenten: Miroslav Klose von Lazio Rom.
Mario Götze: Am Schluss ging ihm etwas die Puste aus, ein Muskelfaserriss tat das Übrige. Aber der 19-Jährige ist Deutschlands größtes Fußballtalent. Angebote aus dem Ausland - sein Marktwert geht gegen 30 Millionen Euro - lassen den BVB kalt. Götze wurde als „Golden Boy“ ausgezeichnet: Europas bester U 21-Spieler. Und er ist Sinnbild einer ganzen Generation, denn so jung waren die Bundesliga-Profis noch nie - im Durchschnitt nur 24,9 Jahre.
Marco Reus: Mönchengladbachs Aufschwung hat einen Vater - Trainer Lucien Favre - und einen Sohn: den wieselflinken, treffsicheren Angreifer mit dem kessen Haarschnitt. Die Borussia hat ihr bestes Fohlen im Stall bis 2015 an sich gebunden, aber der 22-Jährige weckt mittlerweile Begehrlichkeiten nicht nur beim FC Bayern. Nach vier Absagen wegen Verletzung oder Krankheit gab Reus am 7. Oktober in der EM-Qualifikation gegen die Türkei endlich sein Länderspieldebüt. Ein Zehbruch hat den zehnfachen Torschützen zuletzt aber ausgebremst.
Manuel Neuer: Der Nationalkeeper wuchs zum Riesen beim FC Bayern. Nur den Bundesliga-Rekord von Timo Hildebrand (884 Minuten) knackte der Ex-Schalker nicht, blieb aber bis zum 1:2 in Hannover 770 Zeigerumdrehungen ohne Gegentor. Der 93 Kilo schwere Profi ist zudem ein Bewegungstalent: Beim 0:0 in Hoffenheim sprang er im senkrechten Spagat hoch und kickte den Ball, der auf dem Netz seines Tores lag, mit der Fußspitze zurück ins Feld.
Huub Stevens: Unter seiner Regie kehrte Ruhe ein auf Schalke. Tolle Bilanz des Niederländers als Nachfolger von Ralf Rangnick: In 15 Pflichtspielen gab es elf Siege, zwei Unentschieden, zwei Niederlagen und insgesamt nur zwölf Gegentore. Die Königsblauen sind noch in der Europa League dabei, im DFB-Pokal - und in der Bundesliga als Bayern-Jäger. 1997 holte Stevens in seiner ersten Amtszeit den UEFA-Cup mit den Eurofightern, jetzt darf wieder geträumt werden.
Paolo Guerrero: Vom Bad Boy zum Sunny Boy. In seiner Heimat Peru gab es Kondome mit seinem Konterfei, als er Torschützenkönig bei der Copa América wurde. Beim HSV galt er lange nur als der enttäuschende 4-Millionen-Euro-Topverdiener. Doch unter Trainer Thorsten Fink blühte der Stürmer auf. „Ich habe viel bei mir geändert. Ich habe lange keine Interviews gegeben, hart an mir gearbeitet.“ Jetzt hat Guerrero auch seine chronische Gastritis und die Flugangst im Griff.
VERLIERER:
Felix Magath: 34 Gegentore, die erfolgloseste Auswärtsmannschaft. Nichts ist mehr übrig beim VfL Wolfsburg vom Zauber, den der 58-jährige Coach mit seinem Meistercoup 2009 verbreitete. „Wir spielen gegen den Abstieg“, räumte er nach dem Sturz auf Platz 14 ein. Trotz seiner Hire-and-Fire-Politik ist Geldgeber VW der Meinung, dass der Brillenträger noch den Durchblick hat. Zwölf Neue sind nicht genug. Im Winter will Magath weiter einkaufen - und Profis loswerden.
Schiedsrichter: Die bis dato selten beachtete Branche der Pfeifenmänner kommt nicht zur Ruhe. Der - jetzt gerichtlich beigelegte - Dauerzwist zwischen Ex-Funktionär Manfred Amerell und dem früheren FIFA-Unparteiischen Michael Kempter, die Ermittlungen wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung gegen Spitzenreferees und der Suizidversuch von Bundesliga-Spielleiter Babak Rafati. Dazu Diskussionen um Torkamera und Profitum - viel Arbeit für den DFB.
Papiss Cissé: Vergangene Saison war der Senegalese die Lebensversicherung des SC Freiburg und mit 22 Treffern zweitbester Torschütze hinter Mario Gomez. Doch der 26-Jährige wollte unbedingt weg - und durfte nicht. Cissé hofft anderswo auf einen noch besseren Vertrag, auch weil er in der Heimat mehr als 50 Angehörige unterstützt. Er traf neun Mal, aber der SC steht ganz unten. Und der mitunter lustlose Stürmer hat nicht mehr viele Freunde im Team.
Wolfgang Overath: Paukenschlag beim 1. FC Köln am 13. November: Der Weltmeister von 1974 trat nach sieben Jahren als Präsident zurück. Auf Kölsch und nach bitteren Tränen verabschiedete sich der 68-Jährige mit den Worten: „Vielen, vielen Dank - und maht et jot“ (macht es gut). Zermürbt vom Führungschaos gab Overath bei der Mitgliederversammlung auf und sprach von „bösartiger Kritik“. Mit dem Herzen aber werde er immer am 1. FC Köln hängen.
René Adler: Als größtes deutsches Torwarttalent war der Leverkusener für die WM 2010 gesetzt. Dann das Aus durch eine Rippenoperation, jetzt die lädierte Patellasehne. Der 26-Jährige kämpft um sein Comeback, hat aber keine Zukunft mehr bei Bayer. Der Club setzt auf Bernd Leno und hat für den Ex-Stuttgarter 7,5 Millionen hingelegt. Adler, so heißt es, habe sich bei den Vertragsverhandlungen verzockt. Jetzt muss der Überflieger von einst fast wieder von vorne anfangen.
Breno: Sportlich hat der brasilianische Abwehrspieler selten Schlagzeilen geschrieben, aber dann brannte es lichterloh - in seiner Villa im Münchner Stadtteil Grünwald. Wegen des Verdachts der Brandstiftung musste der 22-Jährige am 24. September sogar in Untersuchungshaft. Gegen eine Kaution von 500 000 Euro wurde er freigelassen. Der FC Bayern kümmerte sich als sein Arbeitgeber um neues Haus und Wiedereingliederung.
Michael Oenning: Der einzige Trainer, der in dieser Saison vorzeitig gehen musste. Nach 13 sieglosen Bundesligaspielen (saisonübergreifend) wurde der 45-Jährige am 19. September beim Tabellenletzten Hamburger SV entlassen. Unter Nachfolger Thorsten Fink ging es aufwärts. Nur ein gefeuerter Coach in der Vorrunde - das gab es zuletzt vor neun Jahren. Freiwillig ging Routinier Ralf Rangnick bei Schalke 04: ausgebrannt. Ein Novum in der Branche.
Hoffenheims Hausmeister: Mit einem Beschallungsapparat wollte der Mann, dessen Namen aus Sicherheitsgründen nicht publiziert wurde und über den Dietmar Hopp seine schützende Hand hielt, die Hassgesänge der gegnerischen Fans gegen den Milliardär übertönen. Nach dem Spiel gegen Dortmund kam alles raus, die Liga heulte auf. Viel Lärm um eine unfaire Aktion: Keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen - das Verfahren der Staatsanwaltschaft wurde eingestellt.