Guardiola sieht nach Martínez-Schock düstere Hinrunde
Dortmund (dpa) - Die leise Hoffnung auf eine positive Diagnose der Mediziner erwies sich als Wunschdenken. Gestützt auf zwei Krücken humpelte Javi Martinez am Tag nach dem 0:2 (0:1) im Supercup beim Erzrivalen Borussia Dortmund aus der Arztpraxis.
„Natürlich bin ich im Moment sehr traurig“, kommentierte der Pechvogel die bittere Diagnose. Der Kreuzbandriss im linken Knie zwingt ihn zu einer halbjährigen Pause. Trotzig übermittelte der spanische Nationalspieler eine kämpferische Botschaft an seine Fans: „Aber ihr braucht euch keine Sorgen zu machen - ich werde noch stärker zurückkommen.“
Ganz überraschend kam die Botschaft für seine Anhänger nicht. Schon bei der Abreise aus Dortmund hatte Martinez aus dem Mannschaftsbus via Facebook eine Videobotschaft verbreitet. „Hallo, ich habe eben vom Arzt gehört, er ist zu 99 Prozent sicher, dass es ein Kreuzbandriss ist“, klagte der Abwehrspieler mit einem Schwenk über das hochgelagerte linke Bein.
Wie befürchtet, muss der FC Bayern bis ins kommende Jahr hinein ohne Martinez auskommen. Er soll in den kommenden Tagen in die USA fliegen, um in Vail beim Spezialisten Richard Steadman operiert zu werden. Angesichts der Verletzung des 25-Jährigen war das sportliche Geschehen vor 80 667 Zuschauern in Dortmund fast nebensächlich. Stattdessen wurde über die Folgen des längeren Ausfalls eines weiteren Leistungsträgers geredet. „Die Verletzung von Martinez ist ein großes Problem. Er war in diesem Jahr überragend - von Anfang an“, stöhnte Trainer Pep Guardiola.
Die Stirn des Star-Coaches war in Sorgenfalten gelegt. Die deutschen Weltmeister wie Manuel Neuer, Philipp Lahm, Mario Götze, Jérome Boateng oder Thomas Müller sind erst Anfang der Woche richtig in die Vorbereitung eingestiegen. Bastian Schweinsteiger kuriert noch kleinere Blessuren aus, Stars wie Franck Ribéry und Arjen Robben fehlten angeschlagen, Thiago Alcantara und Rafinha fallen länger aus. Und nun Martinez. Das sind nicht die besten Voraussetzungen für die Hinrunde der neuen Saison, die im DFB-Pokal am Sonntag (16.00 Uhr) beim Drittligisten Preußen Münster und in der Liga mit Topspielen gegen den VfL Wolfsburg und beim FC Schalke 04 beginnt.
Guardiola malte ein düsteres Bild: „Wir brauchen Zeit. Ich bin sicher, wir werden bis zur Winterpause ein bisschen Probleme haben.“ Schließlich war Martinez in den Planungen die zentrale Figur in einer Dreier-Abwehrkette der Bayern.
Nach 30 Minuten setzte der Spanier im Dortmunder Strafraum nach einer Flanke zu einem Scherenschlag an. Das voll durchgeschwungene linke Bein prallte dabei gegen den Ellenbogen von Nationalspieler Marcel Schmelzer. Nach minutenlanger Behandlung wurde der Baske, der 2012 für die Bundesliga-Rekordablösesumme von 40 Millionen Euro von Athletic Bilbao nach München gewechselt war, auf einer Trage vom Platz gebracht. Manuel Neuer, Deutschlands Fußballer des Jahres, sprach davon, dass ein langfristiger Ausfall von Martinez eine „Katastrophe“ wäre.
Für den Spieler ist es in jedem Fall ein weiterer Rückschlag. In der Hinrunde der vergangenen Saison hatten ihn Probleme in Oberschenkel und Leiste geplagt, im September 2013 hatte er sich dann einer Leisten-OP unterziehen müssen. Im DFB-Pokalfinale gegen Dortmund (2:0) in diesem Jahr war Martinez der überragende Spieler in der Dreierkette der Bayern - es sollte ein Signal sein.
Kapitän Lahm erklärte, dass man auf das Szenario nach der WM „vorbereitet“ war. Die Frage, ob angesichts der Lage weitere Transfers nötig seien, verwies der Kapitän an die Verantwortlichen. Er schloss zwischen den Zeilen Aktivitäten bis zum Ende der Transferperiode aber auch nicht aus: „Wir haben einen guten Kader. Die Frage ist nur, wie lange diese Spieler ausfallen.“
Für Neuer ist die Misere mit bestehendem Personal lösbar. Boateng und Dante könnten die Martinez-Position spielen, Holger Badstuber kehre zudem zurück. Nach zwei Kreuzbandrissen und fast anderthalb Jahren Wettkampfpause muss Guardiola den Nationalspieler aber weiter vorsichtig heranführen. Mit der breiten Brust eines Weltmeisters beantwortete Neuer in Dortmund trotz der aktuellen Probleme die Frage, ob er einen schlechten Saisonstart fürchte, trocken mit „nee“.
Schon am nächsten Tag gab es für den Keeper wieder etwas Grund zur Freude. Schließlich könnte er als erster deutscher Torwart zu Europas Fußballer des Jahres gekürt werden. Nach seiner gerade erst erfolgten Wahl zu Deutschlands Fußballer des Jahres zählt der 28 Jahre alte Champion von Brasilien zu den drei Nominierten für die Wahl am 28. August in Monaco, wie die UEFA am Donnerstag bekanntgab. Die Konkurrenten des Weltmeisters sind sein niederländischer Teamkollege Arjen Robben und der portugiesische Weltfußballer Cristiano Ronaldo von Real Madrid.