Gündogan vor kniffliger Saison: „Herzen zurückerobern“
Bad Ragaz (dpa) - Ilkay Gündogan wirkt so entspannt wie lange nicht. Nach schwerer Zeit mit unliebsamen Schlagzeilen über einen Vereinswechsel sprüht der Nationalspieler im Trainingslager von Borussia Dortmund vor Tatendrang.
Die Pfiffe einiger Fans bei der Mannschaftsvorstellung vor wenigen Wochen haben ihn nachdenklich gestimmt, aber auch seinen Ehrgeiz geweckt: „Vielleicht verspüre ich ein wenig mehr Druck als normal. Aber wenn die Leute sehen, dass ich voll da bin und keinen Gedanken daran verschwende, woanders sein zu wollen, hoffe ich, ein paar Herzen zurückerobern zu können.“
Eigentlich schienen seine Tage beim Revierclub gezählt. Noch im Frühjahr kündigte der Mittelfeldspieler an, den bis 2016 datierten Vertrag mit dem BVB nicht verlängern zu wollen. Ein Wechsel zum FC Bayern oder zu einem renommierten spanischen oder englischen Club galt als wahrscheinlich. Erst als sich diese Pläne zerschlugen, unterschrieb er beim BVB bis 2017.
Dieses Hin und Her verärgerte viele Fans. Vorwürfe, Gündogan habe sich beim Transferpoker mächtig verzockt, machten die Runde. „Mir ist klar, dass vieles in den letzten Monaten nicht optimal gelaufen ist“, räumte der 24-Jährige ein, „deshalb kann ich diesen Unmut verstehen.“ Mediale Anschuldigungen, raffgierig zu sein, hält er jedoch für übertrieben. Via Facebook setzte er sich gegen entsprechende Berichte zur Wehr.
Mehrere Telefonate und ein langes Vier-Augen-Gespräch mit Thomas Tuchel trugen zum Verbleib beim BVB bei. Die hohe Wertschätzung des neuen BVB-Trainers soll dazu beitragen, zurück zur Form vergangener Tage zu finden. Auf das Niveau, das ihn vor seiner rund 14 Monaten langen Verletzungspause bis Oktober 2014 zu einem der begehrtesten europäischen Mittelfeldspieler gemacht hatte. Ansehnliche Auftritte in den bisherigen Testspielen stimmen ihn zuversichtlich: „Für mich ist es sehr wichtig, dass ich jetzt Top-Leistung bringe. Ich bin auf einem guten Weg.“
Ohne einen Formanstieg dürfte sein Stammplatz beim BVB in Gefahr geraten. Denn im Glauben, Gündogan zu verlieren, verpflichtete die Vereinsspitze den Leverkusener Gonzalo Castro. Nicht zuletzt deshalb herrscht im Dortmunder Mittelfeld nun dichtes Gedränge. Nach Einschätzung von Sportdirektor Michael Zorc ist das für Tuchel eher ein Luxusproblem: „Wir haben extra Qualität hinzugewonnen.“ Ähnlich bewertet es Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke: „Es gibt im Mittelfeld kein Überangebot. Gonzalo Castro ist ein Spieler, der auf vielen Positionen einsetzbar ist.“
Nicht nur der Wunsch nach Versöhnung mit den Fans treibt Gündogan an. Darüber hinaus will er sich bei Joachim Löw für die EM 2016 in Frankreich empfehlen. Mit Ratschlägen für die Vereinswahl hielt sich der Bundestrainer wohlweislich zurück. „Joachim Löw wollte sich nicht groß einmischen. Er sagte nur, dass mir alle Türen offen stehen, wenn ich meine Leistung bringe. Uns dass es kein Nachteil ist, beim BVB in meinem gewohnten Umfeld zu bleiben“, verriet Gündogan. En passant versuchte der Regisseur, bei den Fans erste Pluspunkte zu sammeln: „Ich habe bei Borussia Dortmund meine Wohlfühlzone.“