„Hacke hier, Hacke da“: Schalke verärgert Coach Keller

Sinsheim (dpa) - Kevin-Prince Boateng spuckte Gift und Galle. „Ich bin stinksauer. Wir führen 2:0, 3:1, dann darfst du hier nicht unentschieden spielen“, schimpfte der Star des FC Schalke 04 unmittelbar nach dem 3:3 seiner Mannschaft bei 1899 Hoffenheim in das Sky-Mikrofon.

„Wir führen 3:1, dann wieder ein bisschen Hacke hier, ein bisschen Hacke da...“, wetterte Boateng. Auf geradezu lächerliche Weise schenkte der Champions-League-Teilnehmer drei Tage vor der Partie beim FC Basel zwei Punkte her - und konnte in der Sinsheimer Rhein-Neckar-Arena am Ende sogar froh sein, dass der Gegner aus dem 1:3-Rückstand kein 5:3 gemacht hatte.

Auch im sechsten Anlauf konnten die „Königsblauen“ in Hoffenheim nicht gewinnen und sind mit nur acht Punkten aus sieben Spielen gerade einmal Bundesliga-Mittelmaß. Auch Jens Keller tobte. Der „maßlos enttäuschte“ Trainer hatte sich bei der Pressekonferenz wieder einigermaßen im Griff, konnte sich aber nach bei der Frage nach dem möglicherweise fehlenden Charakter seiner Mannschaft nur mühsam beherrschen: „Charakter? Ich würde es Konzentration nennen.“ Im Fernsehinterview war er weniger höflich: „Hören Sie mir auf mit der scheiß Mentalitätsfrage. Wir haben individuell wahnsinnige Fehler gemacht, das hat aber nichts mit der Mentalität zu tun. Das hat bei dem ein oder anderen mit der Birne zu tun.“

Von der Birne in die Beine hinunter funktionierte in der ersten Halbzeit alles prächtig bei den Gästen aus Gelsenkirchen. Die stürmten vor 29 139 Zuschauern mit einer Vehemenz und Wucht in Richtung Hoffenheimer Tor, dass es den TSG-Fans direkt dahinter Angst und Bange wurde. Boateng (3. Minute), Joel Matip (13.) und Marco Höger (40.) trafen für Schalke, und das 18-jährige Toptalent Max Meyer wirbelte, dass es eine wahre Pracht war. Das sechste Saisontor von Anthony Modeste auf der Gegenseite (16.) schien nur ein Schönheitsfehler gewesen zu sein.

Doch unterliefen den Schalkern, wie es Keller zynisch beschrieb, „sehr spannende“ individuelle Fehler. Seine Mannschaft hatte sich irgendwie geistig aus der Partie verabschiedet. Roberto Firmino (48.) per Foulelfmeter und David Abraham (61.) mit einem Freistoß glichen aus. Doch damit nicht genug: 1899-Kapitän Andreas Beck hätte nach einem Foul von Jermaine Jones noch einen Elfmeter bekommen können, Firmino traf alleine vor Keeper Timo Hildebrand die Latte und Sven Schipplock hätte es eine Minute nach seiner Einwechslung beinahe wie in der Vorsaison gemacht, als er als Joker das Siegtor erzielte. Aus spitzem Winkel scheiterte er aber an Hildebrand. „Es gibt Situationen, da ist man der Held“, sagte der Stürmer später. „Heute, da bist du - naja nicht unbedingt - der Depp.“

Für Keller war die Leistung seines Teams nach der Pause „nicht zu akzeptieren“. Sportdirektor Horst Heldt sah das ähnlich, wenn auch mit einem maliziösen Lächeln. Ob der Auftritt personelle Konsequenzen habe? „Man tauscht sich aus - und irgendwann tauscht man dann aus“, sagte er. Viele Profis seien in der zweiten Halbzeit „nicht bei Sinnen“ gewesen. Eine Spitzenmannschaft spiele den Vorsprung nach Hause.

In der Königsklasse muss sich Schalke nun ausgerechnet beim FC Basel beweisen, der beim FC Chelsea mit 2:1 gewonnen hatte. Heldt geht davon aus, dass Nationalspieler Julian Draxler (Knieprobleme) mit in die Schweiz reist - und dass Keller und er die Mannschaft wieder zur Besinnung bringen. „Wir werden schon einen Hebel finden, machen Sie sich da mal keine Sorgen“, sagte er bei seinem Abgang zu den Journalisten.