Schalke 04 Heidel: Unser Fehlstart ist meine Schuld

Der Sportdirektor hält den Totalumbau auf Schalke für lebenserhaltend. Das kann auf Kosten des kurzfristigen Erfolgs gehen, aber „langweilig“ dürfe es nicht werden.

Schalkes Manager Christian Heidel

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Gelsenkirchen. Herr Heidel, wie angespannt sind Sie vor dem Bundesligastart. Der FC Schalke 04 hat eine große Aufgabe vor sich, wenn die Qualifikation für einen internationalen Wettbewerb noch gelingen soll.

Christian Heidel: Ich bin erstmal angespannt vor dem Spiel gegen Ingolstadt. Das zeige ich nach außen nur nicht so. Aber wäre das nicht mehr der Fall, müsste man wahrscheinlich in Rente gehen. Ich mache mir aber zum jetzigen Zeitpunkt keine Gedanken darüber, wo wir am 34. Spieltag landen werden. Wir müssen natürlich eine bessere Rückrunde spielen. Das ist ganz klar.

Muss man als Manager nicht über die Floskel „von Spiel zu Spiel denken“ hinausblicken?

Heidel: Was soll ich denn jetzt planen? Im vergangenen und im Jahr davor bestand auf Schalke keine größere Planungssicherheit. Selbst wenn wir deutlich besser in der Tabelle stehen würden, könnte ich noch nicht mit der Champions League planen. Das wäre ja fatal. Das machen nur Vereine, die ins sogenannte „Risiko“ gehen. Dazu zählen wir nicht. Von der Planung her ist das bislang eine ganz normale Saison. Natürlich wollen wir in den internationalen Wettbewerb kommen, aber ich weiß auch, wie schwer das wird.

Ist die bislang sehr durchwachsene Bundesliga-Bilanz allein auf die Verletztenmisere zurückzuführen? Oder lässt sich die Spielidee von Markus Weinzierl nicht auf die Mannschaft übertragen?

Heidel: Wir haben am Anfang der Hinrunde und am Ende zu wenig Punkte geholt. Der Anfang ist leicht zu erklären. Markus hatte keine Zeit, ein System zu entwickeln. Und daran bin ich schuld — „unschuldig schuldig“, weil wir komplett abhängig waren vom sehr späten Transfer von Leroy Sané zu Manchester City. Ohne das Geld hätten wir bis auf Breel Embolo keinen weiteren Spieler transferieren können. Den Rucksack mit fünf Niederlagen tragen wir jetzt die ganze Saison mit uns herum.

Und die letzten vier Spiele?

Heidel: Wir haben nach dem Fehlstart erst einmal zwölf Spiele nicht verloren und gepunktet. Dann ist etwas passiert, was ich so auch noch nicht erlebt habe. Es fallen mit Embolo, Huntelaar, Di Santo und in den letzten beiden Spielen 2016 sogar Choupo-Moting alle verfügbaren erfahrenen zentralen Stürmer aus. Um das zu toppen, fehlen in den letzten beiden Partien auch noch zwei von drei Stamminnenverteidigern. Dass diese Mannschaft dann nicht mehr die gleiche Qualität hat, ist doch ganz klar.

Weshalb gelingt es Teams wie Freiburg, Köln oder auch Hertha BSC, die einen deutlich niedrigeren Etat zur Verfügung haben, so deutlich vor Schalke zu stehen?

Heidel: Das ist genau die Frage, die ich mir gestellt habe, als ich hierhergekommen bin. Und genau deshalb fahren hier jetzt Bagger herum und es bleibt kein Stein mehr auf dem anderen. Schalke hat zwar in den letzten Jahren immer europäisch gespielt, aber der Rückstand auf die Teams, die über Schalke stehen, wurde immer größer. Und der Vorsprung auf die Mannschaften dahinter immer kleiner.

Woran liegt das?

Heidel: Die Bedingungen für erfolgreiches Arbeiten sind hier inzwischen deutlich schlechter als in anderen Klubs, etwa in Mainz, wo ich herkomme. Eine Attraktion auf Schalke war der Kameraturm, der Trainingseinheiten filmt und deren Daten erfasst. Das ist anderen Klubs seit Jahren Standard, das gab es hier alles nicht. Es fehlten ebenso Arbeitsräume und moderne technische Ausstattung.

Das wird ihr Vorgänger Horst Heldt nicht gerne hören.

Heidel: Das ist gerade gar keine Kritik an ihm, das ist mir auch sehr wichtig: Es war die Philosophie des ganzen Klubs, sich Jahr für Jahr auf die aktuelle Saison zu konzentrieren. Es war somit die erklärte Aufgabe Horsts, das umsetzen. Das hat er gut gemacht. Investitionen in die Zukunft und insbesondere in die Infrastruktur standen in den vergangenen zehn Jahren einfach nicht ganz vorn auf der Agenda von Schalke.

Warum machen Sie das jetzt?

Heidel: Das machen wir als Verein. Ich sehe meine Rolle auch als Entwickler. Das birgt ein Risiko, weil wir deshalb morgen kein Spiel gewinnen werden und es natürlich mit Investitionen verbunden ist, die woanders fehlen werden. Die Ergebnisse werden erst später zu sehen sein. In Mainz, Köln, Berlin wird gut gearbeitet. Deshalb müssen wir jetzt handeln, sonst wird sich das Rad weiterdrehen und die Gefahr, dass Schalke irgendwann in der Mittelmäßigkeit versinkt, wird größer.

Spielt der sportliche Erfolg deshalb zunächst eine untergeordnete Rolle?

Heidel: Natürlich wollen wir kurzfristig Erfolg haben und international spielen. Wir können nicht drei Jahre auf Platz elf stehen, das ist völlig klar. Das muss parallel laufen. Aber es geht darum, nachhaltig oben zu bleiben. Die Bundesliga verändert sich. Neue Clubs wie Leipzig werden über Jahre oben mitspielen. Deshalb müssen wir umdenken.

Der Umbruch wird auf Schalke schon seit einigen Jahren immer wieder neu eingeleitet. Verstehen Sie, dass die Leute zweifeln?

Heidel: Tun sie das? Ich glaube, dass die Klubs erfolgreich sein werden, die in die Zukunft denken. Wir hätten es uns einfacher machen und mehr Geld in Beine und weniger in Steine investieren können. Aber das ist nicht der richtige Weg. Wir sind auch in der Gegenwart für die Zukunft verantwortlich.

Es ist trotz der Negativserie gerade am Saisonanfang ungewöhnlich ruhig geblieben im Umfeld. Lethargie?

Heidel: Keineswegs. Unruhe entsteht ja immer zuerst aus dem Inneren des Klubs heraus. Aber wir haben von Beginn an deutlich darüber gesprochen, was wir vorhaben. Trotz der fünf Niederlagen waren sich alle Gremien, Mitarbeiter, Trainer und Mannschaft einig, dass wir da gemeinsam durchgehen. Das überträgt sich auf das Umfeld und ebenso die Medien, die dieses Bild kritisch, aber fair transportiert haben. Es ist tatsächlich auf Schalke ruhig, aber Schalke darf nie langweilig werden. Darauf müssen wir achten.

Haben Sie sich ihr erstes halbes Jahr auf Schalke so intensiv vorgestellt?

Heidel: Es war ein schon ein bisschen mehr als in Mainz, weil ich die Menschen erst einmal kennenlernen und verstehen musste, wie der Klub so tickt. Das ist mir mittlerweile ganz gut gelungen. Der Job an sich unterscheidet sich nicht besonders. Die Transfers sind sicherlich größer, aber so groß ist der Unterschied insgesamt nicht.