HSV: Fink greift durch - Charakter-Test im Nordderby
Hamburg (dpa) - Thorsten Fink hat lange die schützende Hand über seine Profis gehalten, doch nun haut er beim gebeutelten Hamburger SV mit der Faust auf den Tisch.
„Man sieht, dass die Mannschaft eine gewisse spielerische Qualität hat. Man sieht aber auch, dass sie sich zu schnell zufrieden gibt“, monierte der HSV-Trainer vor dem Bundesliga-Heimspiel gegen Hannover 96 am Samstag die zur Selbstüberschätzung neigende Haltung einiger Spieler. Die entlarvende 0:4-Pleite in Hoffenheim hat Fink die Augen geöffnet - er kündigte personelle Konsequenzen an und will im Abstiegskampf nur auf Profis mit der richtigen Einstellung bauen.
Das Nordderby wird für die HSV-Mannschaft zum Charaktertest. „Es wurde schon des öfteren Tacheles geredet. Ich erwarte jetzt eine klare Reaktion“, forderte Fink. Anders als in den Wochen zuvor hat auch er seinen tief im Abstiegssog steckenden Profis die Fähigkeit abgesprochen, den Ernst der Lage erkannt zu haben. Und für seinen Sinneswandel erhält der laut Sportchef Frank Arnesen weiter unumstrittene Coach die volle Rückendeckung der Clubspitze. „Der Trainer muss an den richtigen Stellschrauben drehen“, sagte Vereinschef Carl-Edgar Jarchow dem „Hamburger Abendblatt“. „Personell sollten wir uns auf Spieler konzentrieren, die den Abstiegskampf begriffen haben.“
Nun müssen Kapitän Heiko Westermann & Co. Farbe bekennen. Schafft der Bundesliga-Dino die Wende oder nimmt das Ende der seit 49 Jahren bestehenden Erstliga-Zugehörigkeit Konturen an? Fink reagiert wie angekündigt und plant mit neuen Kräften. Gojko Kacar, Jacopo Sala, Tolgay Arslan und vielleicht auch Millionen-Einkauf Ivo Ilicevic sollen raus, dafür kommen Dennis Aogo, Mladen Petric, Tomas Rincon und eventuell Gökhan Töre rein in die Elf. Eine Garantie für die dringend benötigte Wende ist das neue Personal aber nicht.
Zum einen hat der HSV als schwächstes Oberhaus-Team bisher nur zwei Heim-Dreier verbucht. Zum anderen hat der einst „kleine Nachbar“ aus der niedersächsischen Landeshauptstadt in den vergangenen acht Jahren nur einmal in Hamburg verloren. Und überhaupt hat „96“ dem großen HSV längst den Rang als Nummer eins im Norden abgelaufen. So sehen es mittlerweile auch die Gäste-Spieler. „Das ist für uns eine gute Möglichkeit zu punkten“, sagte Verteidiger Karim Haggui kess und verdeutlichte damit die veränderten Kraftverhältnisse.
„Auf dem Papier sind wir Favorit, aber es wird ganz schwer, weil der HSV unbedingt gewinnen muss. Wir müssen leichte HSV-Fehler erzwingen und sie dann nutzen“, sagte 96-Trainer Mirko Slomka am Freitag. Nach dem Vordringen bis ins Europa-League-Viertelfinale schickt sich sein Team erneut an, ins internationale Geschäft zu kommen. Davon träumt der HSV seit der Saison 2009/10.
Allerdings fehlt Slomka in Mame Diouf der derzeit bester Stürmer. Der Senegalese hat sich eine schwere Sprunggelenksverletzung zugezogen und fällt bis Saisonende aus. Auch Torjäger Mohammed Abdellaoue und Mittelfeldmotor Lars Stindl sind nicht dabei. Dennoch herrscht große Zuversicht. „Alle wissen, dass uns ein Punkt oder ein Sieg die Tür nach Europa weiter öffnet“, sagte Slomka.