HSV-Idol Seeler vermisst nichts
Hamburg (dpa) - Kein bisschen Wehmut, kein langer Blick zurück - Uwe Seeler genießt 39 Jahre nach dem Ende seiner außergewöhnlichen Fußballer-Karriere die Erinnerung an seine schönsten Tore mit dem nötigen Abstand.
„Ich denke nicht so viel über früher nach, ich marschiere immer weiter nach vorn“, sagt „Uns Uwe“, das Idol einer ganzen Fußballer-Generation der 50er und 60er Jahre. Vor seinem 75. Geburtstag an diesem Samstag bewältigt er mit Engelsgeduld einen Interview-Marathon und wird in zahlreichen Fernsehsendungen an seine spektakulären Fallrückzieher und Hinterkopftore erinnert.
330 Gäste haben für den großen Empfang in der Platin-Lounge der Imtech-Arena zugesagt, den der Hamburger SV für seinen treuesten und wertvollsten Spieler der Vereinsgeschichte gibt. Dabei sind Franz Beckenbauer, DFB-Präsident Theo Zwanziger und sein Bremer Kumpel Max Lorenz. Günter Netzer ist verhindert, schrieb dafür herzliche Grußworte. Auch die Klitschko-Brüder können nicht kommen, Wladimir ließ aus dem Trainingscamp in Österreich ausrichten: „Wir wünschen alles Liebe und Gute, vor allem Gesundheit. Wir kennen Uwe Seeler schon lange und schätzen ihn als großartigen Menschen, der nicht nur auf dem Fußballfeld, sondern auch darüber hinaus immer nah an den Menschen dran ist.“
Auch HSV-Trainer Thorsten Fink bewundert die frühere Tor-Maschine wegen ihrer sympathischen und bodenständigen Art: „Wer mag ihn eigentlich nicht?“ Nur Seeler mag es eigentlich nicht, im Mittelpunkt zu stehen. „75 ist doch auch nur ein normaler Geburtstag“, sagt der Jubilar vor der mittäglichen Feier, der im Abendspiel der Bundesliga ein HSV-Erfolg in Leverkusen folgen soll. „Wenn er sich so über einen Sieg freut, machen wir das“, verspricht Fink. Respekt zeigt auch Marcell Jansen, der am Freitag 26 wurde: „Die Zeit ist lang her, aber als Typ macht er was her, ist mit dem Herzen dabei, sehr impulsiv.“ Solche Persönlichkeiten machten Traditionsvereine erst besonders.
Lange Geburtstagsreden möchte Seeler nicht, dennoch freut er sich, mit langjährigen Weggefährten zu klönen. Kein Thema soll der schwere Auffahrunfall vor dem Hamburger Elbtunnel im vergangenen Sommer sein, den er mit zwei Wirbelsäulenoperationen und dem Verlust des Gehörs auf dem rechten Ohr bezahlen musste. Zwar darf er wieder Auto fahren, den Golfschläger lässt er aber noch ruhen.
„Ich habe Bewegungseinschränkungen, aber keine Schmerzen“, gibt Seeler zu. Zudem steht im November noch ein Prozess auf Schadenersatz und Verdienstausfall gegen den Unfallverursacher an. Seeler ist bis Ende des Jahres immer noch für Adidas beruflich aktiv. Dann soll aber Schluss sein: „Ich brauche meine Pausen und will Hektik in Zukunft vermeiden“.
Wie ein richtiger Rentner wird er sich auch im nächsten Lebensjahr nicht fühlen, dafür ist „Uns Uwe“ viel zu umtriebig. Selbst, wenn er sich mit Ehefrau Ilka in sein Ferienhäuschen in St. Peter-Ording zurückzieht, unterbricht er die Ruhe gern mit einer Fahrt zu HSV-Heimspielen. Die Talfahrt seines Vereins, für den er 1000 Tore schoss, lässt ihn natürlich nicht kalt.
„Egal welcher Tabellenplatz am Ende rauskommt: Hauptsache, wir steigen nicht ab“, sagt der ehemalige Mittelstürmer, der 72 Länderspiele mit 43 Treffern zwischen 1954 und 1970 bestritt, dreimal zum „Fußballer des Jahres“ gewählt wurde, und mit dem HSV deutscher Meister und Pokalsieger wurde.
Er ist stolz auf seine Karriere, in der er 1961 trotz eines Millionen-Angebotes von Inter Mailand den Hanseaten treublieb, wäre aber zu gern einmal Weltmeister geworden. „Wenn ich schon bei vier Weltmeisterschaften dabei war, hätte ich auch gern einmal den Titel geholt. Aber ich hatte nicht das Glück. Trotzdem war alles wunderschön. Ich vermisse nichts“, sagt der Sohn eines Hamburger Schutenführers. Besonders wichtig ist ihm die Familie mit seinen drei Töchtern und sieben Enkeln. Der 15 Jahre alte Levin begleitet ihn oft zum HSV, soll aber als talentierter U-17-Spieler nicht anders als seine Mitspieler behandelt werden. „Er soll Spaß am Fußball haben und mit beiden Beinen auf dem Boden bleiben.“
Nach der großen Sause will Seeler richtig abschalten: „Wir fahren weg, aber wohin, dass bestimmt meine Ilka“. Vielleicht eine Kreuzfahrt? „Nein, bloß nicht. Über vier Wochen auf einem Dampfer zu sein, das kann ich mir nicht vorstellen.“