Eine Sache des Kopfes HSV wieder mitten im Abstiegs-Schlamassel
Hamburg (dpa) - Am Tag nach der Blamage bat Markus Gisdol seine Spieler erst einmal zur Aufarbeitung. 90 Minuten lang bekamen Aaron Hunt und Co. schonungslos aufgezeigt, warum der Hamburger SV wieder mittendrin im Abstiegskampf der Fußball-Bundesliga steckt.
Laut sei er nicht geworden, berichtete Gisdol am Sonntag über seine Kabinenansprache: „Es war normal und sachlich, wie es sich gehört.“ Doch Gisdol gab sich keinen Illusionen hin. „Es geht bis zum letzten Spieltag, da bin ich ganz sicher“, sagte er am Samstag im TV-Sender Sky. Die Hoffnung, diesmal nicht bis zum Schluss um den Liga-Verbleib bangen zu müssen, war bei den hanseatischen Relegations-Experten nach der ernüchternden 1:2-Heimblamage gegen Schlusslicht Darmstadt 98 dahin. „Das Zittern war nie weg“, sagte Gisdol, der in den kommenden Tagen „keine besonderen Maßnahmen“ plant: „Wir haben keine Zeit, lange hinterher zu trauern.“
Nach dem unerwarteten Rückschlag gegen die praktisch abgestiegenen Darmstädter hatte es erstmals seit Wochen wieder Pfiffe von den Rängen gehagelt, die Profis schlichen konsterniert in die Katakomben. Es herrscht rechtzeitig vor dem Saison-Finale mal wieder Land unter an der Elbe. Dass Gisdol seiner Elf attestierte, gegen die zuvor auswärts noch punktlosen Südhessen „vom Kopf her wie gelähmt“ agiert zu haben, macht die Situation noch alarmierender. Denn wenn der Abstiegskampf eines ist, dann eine Sache des Kopfes.
Warum die Hamburger nach neun Heimspielen ohne Niederlage derart mut-, ideen- und energielos auftraten, konnten sie nicht erklären. Auch nicht, warum sie der Darmstädter Doppelschlag durch Aytac Sulu (51.) und Felix Platte (53.) so aus dem Konzept riss, dass sie bis auf das Eigentor durch Fabian Holland in der Nachspielzeit das 98-Gehäuse kaum in Bedrängnis brachten. Eines betonten die HSV-Profis unisono: Man habe den Gegner nicht unterschätzt. „Schließlich ist unsere Situation dafür viel zu prekär“, wie Hunt erläuterte.
In der Tat: Statt sich mit dem fest eingeplanten Dreier vorentscheidend von den Abstiegsrängen abzusetzen, steht den Hamburgern ein heißer Saisonendspurt bevor - mal wieder. Und gleich am kommenden Sonntag beim Tabellen-16. FC Augsburg dürfte sich zeigen, ob die schockartige Pleite einen Knacks hinterlassen hat. „In Augsburg geht es jetzt um alles“, sagte Antreiber Lewis Holtby.
Denn sollten die Hamburger dort verlieren, hätten sie wieder Platz 16 inne, der sie schon 2014 und 2015 zum Nachsitzen gezwungen hatte. Geht es nach Holtby, wird das Zitterspiel Relegation diesmal ohne HSV-Beteiligung stattfinden: „Wir bleiben bei uns und wissen, dass wir es schaffen.“
Bitter für die Hamburger, dass in Augsburg die komplette Flügelzunge ausfällt. Denn neben dem länger verletzten Nicolai Müller fehlt auch Filip Kostic gelbgesperrt. Ein Fragezeichen gibt es zudem um Keeper Christian Mathenia und Rechtsverteidiger Dennis Diekmeier, die beim Gegentor zum 0:2 gegeneinanderrasselten und über Schmerzen klagten.
Doch egal, in welcher Aufstellung die restlichen Partien bestritten werden: Sportdirektor Jens Todt ist zuversichtlich, dass das Auf und Ab in dieser Saison - nach dem zehnten Spieltag war der HSV mit nur zwei Punkten abgeschlagen Letzter - gut ausgeht. „Wir kommen aus einem tiefen Loch, und haben uns da an den Rand gekrabbelt - jetzt müssen wir nur noch ganz raus“, sagte Todt im ZDF-Sportstudio.
Neben all den sportlichen Problemen sorgten einige Ultras mit dem Zünden von Pyrotechnik kurz nach Anpfiff für zusätzlichen Unmut bei den Club-Verantwortlichen. „Es ist mir angesichts der Vorkommnisse der letzten Zeit völlig unverständlich, wie unsensibel von Teilen der Fans vorgegangen wird. Wer einen Böller wirft, will dem HSV bewusst schaden“, schimpfte Vorstandschef Heribert Bruchhagen. Nun droht zusätzlich auch noch ein sportjuristisches Nachspiel.