Interview mit Sascha Riether: „Köln ist total verrückt“
FC-Profi Sascha Riether im Interview über Trainer Stale Solbaken, Felix Magath, die DFB-Elf und Entwicklungen im Fußball.
Herr Riether, erinnern Sie sich an Ihr Erstliga-Debüt?
Sascha Riether: Das war mit Freiburg in Leverkusen in der Saison 2003/2004. Ich habe gleich mein erstes Bundesliga-Tor geschossen. Hat nichts genutzt: Wir haben 1:4 verloren (lacht).
Der Fußball entwickelt sich derzeit rasant. Was hat sich für Sie als Spieler verändert?
Riether: Alles ist größer und mehr geworden. Und der Fußball immer taktischer — und immer schneller.
Wie stellt man sich als Spieler darauf ein?
Riether: Man gewöhnt sich einfach daran. Man weiß, dass man gewisse Sachen auf dem Platz machen muss, um in der Bundesliga zu bestehen. Das sind Abläufe, die man jeden Tag trainiert.
Sie werden jedes Wochenende vielfach bewertet, ihre Laufwege sind bekannt, ihre Zweikampfführung. Alles. Macht Sie das nicht fertig?
Riether: Nein. Für mich ist einzig wichtig, dass die Fans sehen, dass man immer alles für den Verein gibt. Und dass der Verein erkennt: Der hilft uns weiter. Das versuche ich tagtäglich zu berücksichtigen und damit bin ich in den letzten zehn Jahren gut gefahren.
Sie haben mit interessanten Trainern gearbeitet. Wer hat Ihnen imponiert?
Riether: Jeder Trainer ist speziell. Und von tatsächlich jedem kann man auch was lernen. Es heißt zum Beispiel immer: Felix Magath ist ein sehr harter Trainer. Aber ich habe unter ihm auch viel gelernt. Volker Finke hat mich in Freiburg aus der A-Jugend gleich zum Spieler in der 2. Liga gemacht. Auch unter McClaren und Littbarski in Wolfsburg habe ich gelernt.
Sie sind in Wolfsburg unter Felix Magath umjubelter deutscher Meister geworden. Heute gelten Magaths Methoden bisweilen als „unmenschlich“.
Riether: Er ist vielleicht das Gegenteil zu Stale Solbakken, unserem Trainer hier beim FC. Magath hat seine Art zu arbeiten. Und wer die Bundesliga verfolgt hat, der sieht, dass er damit erfolgreich war. Es ist doch normal: Wenn man sieht, dass man mit einer Art Erfolg hat, dann setzt man die fort. Er ist sich treu geblieben. Jeder Spieler, der zu Magath geht, weiß, was auf ihn zukommt. Da braucht man nicht zu meckern. Keiner soll sagen: Ich gehe dahin und mache mir ein schönes Leben. Das wird nicht der Fall sein (lacht).
Was macht Solbakken aus?
Riether: Er ist ein guter Trainer. Alle Spieler gehen gerne zum Training. Er findet die richtige Mischung aus Autorität und Lockerheit. Alle Spieler respektieren ihn sehr, wissen aber auch, dass sie immer zu ihm gehen können und er ein offenes Ohr für sie hat.
Sie kamen aus Wolfsburg und waren sofort zweiter Kapitän. Warum?
Riether: Ich habe in Wolfsburg auch schon Verantwortung übernommen und war dort ein Führungsspieler. Das wurde in Köln auch erwartet. Dass ich gleich Vizekapitän wurde, das hat mich auch stolz gemacht. Aber auch ohne Binde hätte ich Verantwortung übernommen. Das ist mein Naturell, das macht mich stark.
Warum Köln? Sie sind Nationalspieler.
Riether: Köln war immer schon etwas Besonderes. Die Stadt ist total verrückt, im positiven Sinne. Freiburg und Wolfsburg — das war eine schöne Zeit, an die ich viele schöne Erinnerungen habe. Aber Köln ist noch einmal eine ganz andere Herausforderung. Die habe ich gewollt. Wir haben die Kurve gekriegt, von den letzten fünf Spielen drei gewonnen. Wenn du so spielst, dann bekommt man diese Emotionen, die hier gelebt werden, immer mehr mit. Das ist ein schönes Gefühl.
Sie sind deutscher Meister — mit Wolfsburg. Wissen Sie heute eigentlich, warum?
Riether: Damals hat es Magath geschafft — obwohl wir nach der Hinrunde nur Zwölfter waren — jeden einzelnen Spieler ans Limit zu bringen. Wir hatten Ausnahmekönner dabei, eine wahnsinnige Offensive — und eine gute Mannschaft. Drei Spezialisten, die jedes Spiel geknipst haben. Und die anderen sind für sie gelaufen. Deshalb der Titel.
Wie kann Köln von diesen Erfahrungen profitieren?
Riether: Wir haben gesehen, dass wir gegen größere Mannschaften gewinnen können, wenn wir als Mannschaft arbeiten. So haben wir Leverkusen und Hoffenheim besiegt. Wenn es aber anders läuft, dann endet es so wie beim 0:3 in Berlin. Unser Maßstab muss es sein, jedes Wochenende eine mannschaftlich geschlossene Leistung abzurufen, dann ist mit der Qualität, die wir im Kader haben, einiges möglich. Man hat es an Hannover und Mainz im vergangenen Jahr gesehen. Es liegt an uns, die Überbleibsel der Vergangenheit, dieses schnelle Auf und Ab, vergessen zu machen.
Sehen Sie darin ihre Aufgabe? Überzeugungsarbeit zu leisten?
Riether: Ja, auf jeden Fall. Wir haben eben auch durchaus richtig gute Spieler, die ein Match entscheiden können, wie Lukas (Podolski) oder Nova (Milivoje Novakovic). Aber entscheidend ist immer, dass die ganze Mannschaft funktioniert.
Zu Beginn der Saison schien die Mannschaft das System Solbakkens nicht zu kapieren. War es so?
Riether: Der Trainer hat mit Kopenhagen taktisch anders spielen lassen, als wir es in der Liga gewohnt waren. Wir waren mehr am Gegenspieler orientiert, er will mehr im Raum spielen. Das musste man erstmal zusammen bringen. Wir hatten anfangs Schwierigkeiten, das umzusetzen, haben vielleicht zu viel nachgedacht. Das ist ein Prozess, der Zeit braucht. Jeder muss wissen, was der andere macht.
Wie ist es besser geworden?
Riether: Wir hatten viele Gespräche, haben die zwei Komponenten auf einen Nenner gebracht. Der Trainer ist auch auf uns zugekommen. Er hat die Situation erkannt und gesagt: Ich komme da auf euch zu.
Ist seither das Verhältnis gestärkt?
Riether: Auf jeden Fall.
Denken Sie wie ein Trainer?
Riether: Ich beschäftige mich mit Taktik, deshalb bin ich auch so flexibel. Mich interessiert Fußball einfach. Nach dem Spiel ist das nicht vorbei, ich schau mir gerne auch andere Spiele an. Das ist einfach mein Leben.
Sie haben zwei Länderspiele in der EM-Qualifikation gegen Belgien und Aserbaidschan gemacht. Jetzt sind Sie nicht mehr dabei.
Riether: Ich habe aber gesehen, wie schnell es gehen kann. Nach meinen zwei Einsätzen hatte ich mich leider verletzt. Eigentlich lief es ganz gut. Aber in der Zeit haben sich die Dortmunder und andere in den Vordergrund gespielt. Wenn einer verletzt ist, kommen andere. Ich bin deswegen nicht zu Tode betrübt. Es liegt an mir. Joachim Löw kennt mich gut.
Die DFB-Elf wird derzeit gefeiert.
Riether: Das Team hat eine richtig hohe Qualität mit richtig guten Spielern. Deshalb ist es auch keine Enttäuschung, wenn du da mal nicht dabei bist. Das ist nach Spanien die beste Mannschaft der Welt, das merkt man auch als Spieler. Das ist eine echte Mannschaft, jeder ist bereit, für den anderen zu laufen. Und die vielen Tempospieler sorgen für die Überraschungsmomente. In diesem Team dabei zu sein, das war für mich eine Ehre.
Aus Berlin vom Länderspiel gegen die Türkei stammt ein Foto, auf dem Sie der Bundeskanzlerin mit nacktem Oberkörper begegnen.
Riether: Angela Merkel wusste nicht, wer ich bin. Aber ich kannte sie (lacht). Es war ja damals so, dass alle noch in der Dusche waren. Da hieß es plötzlich: Die Kanzlerin kommt, da mussten sich alle schnell ein Handtuch umwerfen. Eine interessante Erfahrung.