Interview: Was Huub Stevens mit Rudi Carrell eint

Schalkes Trainer über die Entwicklung seines Stils, den deutschen und niederländischen Fußball.

Herr Stevens, welche Veränderungen haben Sie beim FC Schalke 04 seit Ihrer Rückkehr nach neun Jahren festgestellt?

Stevens: Der Klub verändert sich ständig. Es wäre ja auch schlimm, wenn Stagnation eingetreten wäre. Ich kann mich erinnern, dass in meiner ersten Amtszeit ein Trainingsplatz von der einen zur anderen Eckfahne 1,2 Meter Höhenunterschied hatte. Das ist aber vorbei. Heute hat Schalke ganz andere Möglichkeiten.

Was fällt Ihnen besonders auf?

Stevens: Die Abläufe sind sehr organisiert und strukturiert. Es herrscht vor allem viel Ruhe, das war früher oftmals anders. Auf Schalke war immer etwas los.

Sie galten früher als sehr autoritärer, knurriger Typ, der wenig Spielraum für andere Meinungen zulässt. Haben Sie sich verändert?

Stevens: Ich hoffe, dass ich mich als Mensch verändert habe. Ich reagiere in vielen Situationen anders als früher. Das Wichtigste ist allerdings, bei sich selbst zu bleiben. Sobald du zum Schauspieler wirst, rennst du irgendwann gegen eine Wand.

Ihr ehemaliger Torhüter Jens Lehmann hat gesagt, früher hatte er vor Ihnen Angst. Beunruhigt Sie das?

Stevens: Das habe ich auch gehört, natürlich denke ich darüber nach. Ich glaube, er wollte damit sagen, dass er viel Respekt hatte. Wenn ich irgendwo bin, dann bin ich auch voll und ganz mit meiner Persönlichkeit da. Heute denke ich aber viel häufiger darüber nach, wie ich reagiere. Man muss als Trainer viel flexibler sein, die Jungs sind anders groß geworden.

„Die Null muss stehen“ ist der Satz, der immer mit Ihnen in Zusammenhang gebracht wird. Stört Sie das?

Stevens: Warum sollte es mich stören? Es gibt zwei Niederländer, die durch bestimmte Aussagen in Deutschland bekannt geworden sind. Das sind Rudi Carrell und ich. In Deutschland passiert es mir oft, dass mich Menschen mit diesem Zitat ansprechen. Ich finde es lustig und bin stolz darauf. Allerdings habe ich diesen Satz damals im Hinblick auf ein Spiel gesagt, doch die Leute neigen zum Etikettieren.

Es gibt über Sie das Vorurteil, dass Sie ein altmodischer Trainer sind. Belastet Sie das?

Stevens: Das belastet mich nicht, aber ich verstehe es auch nicht. Ich habe schon früher ständig neue Trainingskonzepte entwickelt. Videosequenzen zur Analyse bestimmter Spielszenen in der Halbzeitpause zu zeigen, das habe ich schon als Trainer von Roda Kerkrade Anfang der 90er Jahre gemacht. Man muss sich als Trainer weiterentwickeln — und das mache ich auch weiterhin.

Sie haben eine viel talentiertere Mannschaft als in Ihrer ersten Amtszeit zur Verfügung.

Stevens: Die Mannschaft hat mit mir innerhalb der letzten sieben Monate den dritten Trainer bekommen. Die Spieler brauchen Kontinuität, sie haben bestimmte Fähigkeiten und bestimmen dadurch auch die eigene Taktik. Deshalb muss sich der Trainer nach dem Team richten, das ist meine Herangehensweise.

Gibt man Ihnen aufgrund Ihrer Vergangenheit mehr Zeit?

Stevens: Ich bin so lange dabei und weiß: Das Geschäft ist nicht langfristig, du musst auch kurzfristige Erfolge haben, parallel muss ein Trainer aber auch an die Linie des Vereins denken, das versuche ich zusammenzufügen. Ich glaube, dass ich momentan gut in die Philosophie des Klubs passe. Es ist wichtig, dass man sich wohlfühlt. Bei den Klubs, bei denen ich dieses Gefühl nicht mehr hatte, bin ich freiwillig gegangen, zuletzt beim PSV Eindhoven. Das habe ich immer gemacht.

Macht es Ihnen mehr Spaß, offensiv oder defensiv spielen zu lassen?

Stevens: Es ist mir egal, wie ich spiele. Ich will gewinnen, nur darum geht es.

Die deutschen Nationalmannschaften galten im Vergleich zu den niederländischen Teams häufig als weniger gut technisch und taktisch ausgebildet. Ist die Diskrepanz jetzt geringer?

Stevens: Natürlich haben die Deutschen aufgeholt. Die jungen deutschen Spieler haben sich aufgrund der hervorragenden Jugendarbeit in den Vereinen so weiterentwickelt, dass auch die Nationalmannschaft davon profitiert. Die Deutschen sind jetzt weiter als die Niederländer, aber auch als Spanien.

Haben die Niederländer in ihrer Ausbildung nachgelassen?

Stevens: Auf keinen Fall. Für so ein kleines Land ist es immer noch unglaublich, was dort geleistet wird. Aber die Spieler haben es in bestimmten Momenten verpasst, den letzten Schritt zu machen und einen Titel zu gewinnen.

Eine Frage der Mentalität?

Stevens: Das hat auch mit Mentalität zu tun. Vielleicht fehlt manchmal das letzte Quäntchen Siegeswillen. Aber die Mannschaft spielt jetzt unter Trainer Bert van Marwijk ergebnisorientierter und zeigt keine Spur von Arroganz mehr. Das gefällt mir.

Hat Stevens Recht, wenn er die Deutschen stärker als das niederländische und spanische Team sieht?

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