„Jahrhunderttorwart“ Nigbur wird 65
Düsseldorf (dpa) - Norbert Nigburs Name steht für eines der verrücktesten Kapitel der 50-jährigen Bundesliga-Geschichte. Am 14. September 1974 hatte man übersehen, dass der Torwart des FC Schalke 04 beim Spiel gegen den VfL Bochum nach der Pause noch in der Kabine war.
Die zweite Hälfte begann ohne ihn. „Die haben mich einfach vergessen“, berichtet Nigbur, der am 8. Mai seinen 65. Geburtstag feiert, schmunzelnd. Als er verspätet auf das Spielfeld wollte und einen Polizisten mit dem Hinweis, er sei der Torwart, um Durchlass bat, antwortete dieser nur: „Das kann ja jeder sagen.“
Selbst auf dem Platz hatte keiner mitbekommen, dass das Schalke-Gehäuse minutenlang leer stand. „Erstaunlich war, dass kein Bochumer auf das Tor schoss, aber von denen hatte auch keiner gemerkt, dass ich nicht da war“, rätselt der ehemalige Nationalkeeper noch heute. Nicht allein die längste Halbzeit seines Lebens ließ ihn für die Schalke-Fans zum „Jahrhunderttorwart“ werden.
Im September 1966 wurde das von Heßler 06 kommende 18 Jahre junge Talent bei den Königsblauen die Nummer eins. 1969 verlor er mit Schalke das Finale des DFB-Pokals gegen Bayern München. Drei Jahre später wurde Nigbur mit Spielern wie Klaus Fichtel, Klaus Fischer oder Reinhard „Stan“ Libuda deutscher Fußball-Vizemeister und gewann den DFB-Pokal. Diesen Titelgewinn verdankt Schalke insbesondere auch Nigbur, der im Halbfinalrückspiel gegen den 1. FC Köln (Hinspiel 1:4) seinen Club beim Stand von 5:2 mit einem gehaltenen Strafstoß ins Elfmeterschießen rettete. Damit nicht genug: Er hielt daraufhin zwei weitere Elfmeter und verwandelte einen selbst.
„Mein Rekord von 25 gehaltenen Elfmetern steht immer noch“, sagt Nigbur stolz. In der Bundesliga hielt er 16 von 57 Strafstößen, nur der frühere HSV-Keeper Rudi Kargus (20 von 67) steht in der ewigen Statistik vor ihm. Allerdings ist Nigbur auch in der Rangliste der meisten Gegentore mit 670 Treffern (Platz fünf) vorn dabei.
In den Siebzigern galt er neben Sepp Maier als bester Bundesliga-Torwart, hatte gegen seinen Münchner Rivalen in der Nationalmannschaft aber zumeist das Nachsehen. „Ich sehe es nicht als Pech an“, sagt Nigbur. Und fügt kritisch an: „Damals hatte ich gedacht, wenn man Topleistung bringt, spielt man, doch dann habe ich gesehen, was es für Hierarchien in der Nationalmannschaft gibt.“ So kam er nur auf sechs Länderspiele, gehörte aber zum Aufgebot, das 1974 Weltmeister wurde.
Froh dagegen konnte er sein, dass er verletzt war, als der Bundesligaskandal die Republik erschütterte. Als Schalke 04 am 17. April 1971 das verschobene Spiel gegen Arminia Bielefeld (0:1) verlor, saß er auf der Tribüne. „Wenn ich dabei gewesen wäre, hätte ich versucht, auf meine Mitspieler einzuwirken“, sagt Nigbur. Er selbst sei nicht bestechlich gewesen, weil er einen sehr guten Vertrag hatte und „für 2300 D-Mark nicht auf die Idee gekommen wäre, ein Spiel zu verschieben“.
Für den FC Schalke hat der gebürtige Gelsenkirchen insgesamt 477 Pflichtpartien bestritten. Er ist mit ihm ab- und aufgestiegen (1980 und 1982), wechselte im Streit zwischendurch zu Hertha BSC (1976-1979). „Schalker bleibe ich ein Leben lang, auch wenn ich nicht immer mit den handelnden Personen zurechtgekommen bin“, betont er.
„Ich galt als großmäulig, aber heute gibt es viel zu wenige solcher Typen“, meint Nigbur, der mit langen Haaren und flotten Sprüchen einst eine Art Popstar im Tor war. Dazu passte, dass er auch als Sänger Spuren hinterließ. Lieder wie „44 Beine kämpfen um die kleine Lederkugel auf dem Fußballfeld“ oder „Wenn Schalke 04 nicht wär', wär' das Parkstadion leer“ waren einst populär.