Jungspund Nagelsmann gibt 1899 Hoffenheim Hoffnung

Hamburg (dpa) - Julian Nagelsmann hätte allen Grund für forsche Töne. 28 Jahre, sieben Spiele, vier Siege, 13 Punkte - der neue Trainer von 1899 Hoffenheim hat in einem Drittel der Zeit doppelt so viele Siege geschafft wie die Vorgänger Markus Gisdol und Huub Stevens zusammen.

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Nagelsmann ist der Mann, der die als sicheren Absteiger gehandelten Hoffenheimer aus der dunklen Kellerecke und der Lethargie der vergangenen Monate geholt hat. „Es macht wieder Spaß“, bekennt Stürmer Kevin Volland nach dem 3:1-Sieg beim Hamburger SV. „Uns hat Selbstvertrauen gefehlt. Seit der neue Trainer da es, haben wir es wieder.“

Die meiste Zeit in der Saison stand die TSG 1899 abgeschlagen auf einem direkten Abstiegsplatz. Nach dem Sieg in Hamburg ist das Team auf den Relegationsplatz vorgerückt und hat nur noch einen Zähler Abstand vom rettenden Ufer. Und obwohl es läuft, lässt Nagelsmann nicht mal ein bisschen Selbstzufriedenheit heraushängen. „Wir freuen uns, aber uns ist absolut bewusst, dass es kein Sahnetag von uns war. Wir können besser spielen als heute“, lautet sein Fazit nach dem ersten Auswärtssieg seit knapp einem halben Jahr. Dann rät er jenen, die ihn für einen Tiefstapler halten: „Einfach mal Tabelle ausdrucken, dann weiß man, was Sache ist.“

Der jüngste Trainer in der Bundesliga-Geschichte, dem mitunter das unpassende Etikett „Baby-Mourinho“ verpasst wird, wirft sich nicht in Pose. Er, der rein äußerlich als Praktikant in der Pressestelle durchgehen könnte und den die fast gleichaltrigen Spieler allesamt duzen, hält sich angenehm zurück. Nagelsmann hütet sich, seine älteren Trainerkollegen weder mit provokanten Äußerungen zu reizen noch Selbstdarstellung zu betreiben. Der Jungspund lässt Erfolge sprechen.

Dabei ist ihm bewusst, dass die etablierten Kollegen jenseits der 50 sehr genau auf ihn schauen. „Natürlich beobachtest du das“, gibt HSV-Coach Bruno Labbadia zu und spricht dem Nesthäkchen der Gilde Anerkennung aus. „Die Arbeit ist gut. Ich mach da keinen Unterschied, ob alt oder jung. Er muss gut sein. Das scheint zu gehen.“

Beinahe wäre der Zweitbeste des diesjährigen Fußballlehrer-Jahrgangs beim HSV gelandet. Aber nicht als Bundesliga-Coach. Auf die verwegene Idee wäre in Hamburg niemand gekommen. Kandidat für die U23 war er als Nachfolger für Josef Zinnbauer. Geschichte. Statt Regionalliga Nord gibt es nun Bundesliga extrem. Nagelsmann: „Dass ich so schnell in der Bundesliga gelandet bin, ist ein Traum.“

In wenigen Wochen hat der Technik- und Taktik-Freak den verunsicherten Hoffenheimern Selbstbewusstsein, Spielkultur und Angriffswille eingetrichtert. „Wir spielen einen ganz anderen Fußball, gehen vorne drauf, und jeder kann sich damit identifizieren“, schwärmt Volland und verrät: „Ich bin überzeugt, dass wir es schaffen.“ Torhüter Oliver Baumann ergänzt: „Julian gibt klar die Richtung vor, aber er lässt uns auch Freiheiten. Er hat eine klare Linie und Vorstellungen, wie er spielen will, und die Mannschaft zieht da voll mit.“