Kampf ums Konzept: HSV will ans große Geld
Hamburg (dpa) - Die Mitglieder rennen ihrem Hamburger SV die Bude ein. Rund 10 000 Menschen werden am Sonntag bei der Mitgliederversammlung des hanseatischen Universalsportvereins mit seinen 33 Sparten erwartet, so viel wie noch nie bei einer Hauptversammlung.
Gleich sechs Säle im Congress Center Hamburg sind geblockt worden, um die Massen unterzubringen und per Video-Leinwand teilhaben zu lassen. Es geht um die Struktur, das Konzept der Zukunft. Die Gretchenfrage lautet: Wie kommt der HSV an Geld? Schließlich dümpelt der mit Verpflichtungen von knapp 100 Millionen Euro belastete Verein mehr schlecht als recht durch die Bundesliga.
In den vergangenen drei Jahren schrieb der Bundesliga-Dino ein Minus von 21 Millionen Euro. Das daraus resultierende Szenario: Der VfL Wolfsburg verpflichtet den Belgier Kevin de Bruyne flugs mal für 20 Millionen Euro. Der HSV dreht jeden Euro zweimal um, wenn er sich ein 20 Jahre altes Talent für ein halbes Jahr ausleihen will.
Fünf Konzepte werden am Sonntag vorgestellt. Im Wesentlichen geht es dabei um die Ausgliederung der Fußball-Profi-Abteilung aus dem Gesamtverein und die damit verbundene Umwandlung in eine Kapitalgesellschaft. Drei Konzepte sind dafür, zwei dagegen. Das aussichtsreichste Modell ist „HSV Plus“ von Ex-Aufsichtsratschef Ernst-Otto Rieckhoff, der von ehemaligen Profis wie Holger Hieronymus, Ditmar Jakobs, Thomas von Heesen und Horst Hrubesch Unterstützung erfährt. Sie wollen die Ausgliederung und den Verkauf von Anteilen bis zu 24,9 Prozent. „Wir können die Finanzierung des Vereins nicht mehr aus eigener Kraft schaffen“, sagt Rieckhoff. Er will die Fußball-Abteilung zur Aktiengesellschaft umbilden, rechnet kurzfristig mit 50 Millionen Euro Einnahmen.
Seine Widersacher sind Ex-Präsident Jürgen Hunke mit „HSV - Zukunft mit Tradition“ und die Führung der starken Fan-Abteilung Supporters Club mit dem Konzept „HSV-Reform“. Sie wollen die Satzung modifizieren, aber keine Ausgliederung und partout keinen Verkauf von Vereinsanteilen. Denn das hieße, beteuert Hunke, „die Seele des Vereins zu verkaufen“. Die anderen Modelle sehen eine Stiftung („HSV 21“) bzw. eine GmbH und Co. KG auf Aktienbasis („Rautenherz“) vor.
Zwölf der 18 Bundesligisten haben ihre Profi-Abteilung in Kapitalgesellschaften umgewandelt. Leuchtturm ist Bayern München. Mit der Aktiengesellschaft des Champions-League-Siegers sollte sich aber kein anderer Verein vergleichen. Die Bayern sind Lichtjahre voraus. Sie hatten erst den sportlichen Erfolg und dann die Aktien. Der HSV will erst die Aktien und dann den Erfolg. Manfred Ertel, Aufsichtsratschef und Befürworter von „HSV-Reform“ betonte unlängst in einer Podiumsdiskussion: „Wir brauchen strategische Partner. Dafür muss man nicht Anteile verkaufen, auch nicht die Mitbestimmung der Fans.“
Das ist die Krux. Die Mitglieder bestimmen derzeit die Zusammensetzung des Aufsichtsrates. Der wiederum bestellt den Vorstand. Mit der Ausgliederung der Profis findet das ein Ende. Der HSV heute ist quasi eine Fangemeinschaft mit demokratischem Antlitz. Das ist Gift für mögliche Investoren. Anteilskäufer wollen Werberechte und Gewinne, nicht Diskussionen mit aufsässigen Fans. Unklar ist, ob die 55 669 Supporter im 71 741 Mitglieder starken Verein bereit sind, künftig auf ihre Macht zu verzichten. Ex-Präsident Wolfgang Klein, Befürworter der Ausgliederung, redet Klartext: „Die derzeitigen Strukturen ähneln einem Taubenzüchterverein.“