Keine Ausreden mehr beim HSV - Olsen-Spekulationen
Hamburg (dpa) - Begleitet von immer neuen Spekulationen um den künftigen „Hoffnungstrainer“ müssen die Fußball-Profis des HSV alle Konzentration auf das Bundesligaspiel beim VfB Stuttgart richten.
Nach der Trennung von Michael Oenning erklärte Heiko Westermann die Zeit der Ausreden beim Tabellenletzten für beendet und nahm seine verunsicherten Mitspieler in die Pflicht. Das Team habe „eine Teilschuld“ an der Krise, räumte der Kapitän ein. „In letzter Zeit wurde genug geredet. Jetzt müssen wir mal auf dem Platz anfangen, Punkte einzufahren und aufhören, uns zu verstecken“, forderte der Nationalspieler vor dem richtungsweisenden Punktspiel am Freitag. Dabei hofft er auch auf den Cardoso-Effekt, „denn ein Trainerwechsel bringt immer einen Schub“.
Nothelfer Rodolfo Cardoso muss nun das Kunststück bewältigen, in seiner auf höchstens zwei Spiele begrenzten Mission beim sieglosen Traditionsclub rasch die Wende einzuleiten - ungeachtet der Debatten im Verein. Sportchef Frank Arnesen wollte am Donnerstag „gar nichts“ sagen und schon gar nichts ausschließen. Er nannte keine Namen, deutete aber an: „Es geht jetzt um neun Monate.“ Diese Lösung würde Huub Stevens favorisieren, der den HSV schon 2007 gerettet hat.
Doch auch Arnesens Landsmann Morten Olsen zeigt Interesse am HSV-Job. „Es gibt immer Möglichkeiten“, sagte er dem „Ekstra Bladet“ zur Frage, ob Dänemarks Fußball-Verband (DBU) ihm eine vorübergehende Doppelbeschäftigung als National- und Clubcoach erlauben würde. Tags zuvor hatte er diese Variante noch ausgeschlossen. DBU-Pressesprecher Lars Berendt sagte der Nachrichtenagentur dpa: „Wir haben schon einmal vor zwei Jahren klargestellt, dass die Betreuung der Nationalelf ein Vollzeitjob ist.“ Auf die Nachfrage, ob dies auch heute noch gelte und er eine vorübergehende Doppelfunktion Olsens ausschließe, meinte Berendt ausweichend: „Darauf antworte ich nicht.“
Wer wann kommt, interessiert Interimscoach Cardoso weitaus weniger als die sportliche Seite. Sein Auftrag lautet, den wankenden Bundesliga-Dino wieder auf Kurs zu bringen. „Der Club hat mir in den letzten Jahren viel geholfen. Nun will ich etwas davon zurückgeben“, betonte der elegante Spielmacher aus besseren HSV-Zeiten. Er wolle vor allem für „Ruhe und Sicherheit“ im kriselnden Team sorgen. Doch das ist leichter gesagt als getan: Ausgerechnet jetzt droht in der Hintermannschaft, die sich angesichts der zweitmeisten Gegentore (17) als Wackel-Abwehr entpuppte, nach Michael Mancienne (Muskelfaserriss) auch noch der Ausfall von Dennis Diekmeier (Knieprellung).
Cardoso erwägt deshalb, den gelernten Innenverteidiger Westermann nach rechts zu ziehen. „Wenn es lichterloh brennt, werde ich auch da spielen können“, sagte der Kapitän. Im Abwehrzentrum würde dann der mit großen Erwartungen geholte Niederländer Jeffrey spielen. Davor gibt Cardoso, der für kurze Zeit vom Regionalliga-Ersten HSV II zum Erstliga-Letzten aufgestiegen ist, wahrscheinlich Romeo Castelen eine Chance. Der Mittelfeldmann, der nach vielen Operationen zuletzt mit zwei Toren beim VfL Wolfsburg II auftrumpfte, steht vor dem Comeback.
Der frische Wind aus der erfolgreichen HSV-II-Elf kommt Bruno Labbadia eher ungelegen. „Rodolfo bringt Lockerheit ins Team und nimmt ihm den Druck. Jetzt kann ich all' meine Spielanalysen in die Tonne kloppen“, sagte der VfB-Coach, der 2010 nach nur zehn Monaten beim HSV geschasst wurde und sich liebend gerne an den Norddeutschen rächen würde. Auch wenn er freundlich anmerkte: „Egal, wir kümmern uns bei unserer Arbeit eh' zu 95 Prozent um uns selbst.“ Und wer sein Nach-Nachfolger als HSV-Chefcoach wird, wird ihm ohnehin egal sein.