Lahm unbeeindruckt: Bedauern, aber keine Reue

Kaiserslautern (dpa) - Die Kritik an Philipp Lahm und seinem Buch „Der feine Unterschied“ reißt nicht ab. Der Nationalmannschaftskapitän kann die Aufregung nicht verstehen, entschuldigt sich aber zumindest für die unglückliche Darstellung einiger kritischer Passagen.

Den ersten Bundesliga-Auftritt nach seinem stark kritisierten Ausflug in die Literatur absolvierte Philipp Lahm im Bayern-Trikot gewohnt souverän. Unbeeindruckt vom Aufschrei, der nach Lahms Kritik an seinen Ex-Trainern quer durch Fußball- Deutschland ging, bot der Jung-Schriftsteller beim 3:0 der Münchner in Kaiserslautern eine starke Leistung und verabschiedete sich danach gut gelaunt zur Nationalmannschaft. „Ich fahre ganz entspannt dorthin“, verkündete Lahm.

Dem Rapport bei Bundestrainer Joachim Löw vor dem EM-Qualifikationsspiel gegen Österreich sieht der DFB-Kapitän genauso gelassen entgegen wie den Gesprächen mit den Mitspielern. „Ich freue mich sogar darauf. Ich habe ja niemanden von der aktuellen Nationalmannschaft kritisiert oder gar beleidigt“, sagte Lahm in einem Interview der „Bild am Sonntag“.

Stattdessen bekam unter anderen Ex-Bundestrainer Rudi Völler in dem Buch „Der feine Unterschied“ sein Fett weg, was den Sportdirektor von Bayer Leverkusen zu einer Wut-Rede veranlasst hatte. „Es gibt Dinge in unserem Geschäft, die gehören sich einfach nicht. Er hat versucht, Menschen schlecht zu machen, wo es gar keine Gründe dafür gab. Das ist höchst unanständig. Es gibt Grenzen, und die hat er überschritten“, untermauerte Völler in der Sendung „Doppelpass“ bei SPORT1 seine Kritik an Lahm.

„Rudi Völler wollte ich mit Sicherheit nicht so darstellen, wie das in dieser Woche rübergekommen ist“, entschuldigte sich Lahm. Er bekräftigte jedoch: „Ich würde das Buch auf jeden Fall wieder so schreiben.“

Öffentliche Rückendeckung erhielt Lahm von seinen Mitspielern bei Bayern München. „Bei uns ist es so, dass wir mehr darüber flachsen, irgendetwas rausnehmen aus den Zeilen, worüber wir dann unsere Späße machen. Natürlich gibt es in Deutschland viele Meinungen dazu, aber in der Mannschaft ist das kein Problem“, sagte Bastian Schweinsteiger.

Ob die DFB-Granden um Löw, Nationalmannschaftsmanager Oliver Bierhoff und Präsident Theo Zwanziger mit dem Thema ähnlich entspannt umgehen, darf jedoch bezweifelt werden. Der ehemalige Bayern-Profi Thomas Strunz kann sich das kaum vorstellen. „Er hat ein ungeschriebenes Gesetz verletzt. Lothar Matthäus war nach seinem Buch damals in der Mannschaft verbrannt“, sagte Strunz.

Bayern-Sportdirektor Christian Nerlinger war daher bemüht, das Thema kleinzureden. „Das Echo auf diese Passagen ist viel zu hoch und viel zu polemisch von dem ein oder anderen ausgefallen. Aber ich glaube, dass spätestens in einer Woche von diesem Buch keiner mehr reden wird“, sagte er.

Noch wird an den Stammtischen und in Expertenkreisen jedoch heftig über das am Montag erscheinende Werk diskutiert, was der Autor mit Verwunderung zur Kenntnis genommen hat. „Diese Hysterie um mein Buch finde ich überzogen“, sagte Lahm.

Dem lasen auch eine Reihe von Alt-Stars die Leviten. „Ich kann nur sagen: So etwas macht man nicht“, rüffelte DFB-Ehrenspielführer Uwe Seeler den Bayern-Kapitän. Und auch „Kaiser“ Franz Beckenbauer äußerte Unverständnis: „Wenn man ein Buch schreibt, muss man auch unbequeme Sachen hineinschreiben, damit es sich verkauft. Da muss er natürlich wissen, dass er in der Kritik steht.“

Oliver Kahn schrieb seinem langjährigen Vereinskollegen via „Welt am Sonntag“ ins Stammbuch: „Ich denke, wir sind uns einig, dass es immer problematisch ist, wenn ein Spieler kritische Dinge über seine ehemaligen Vorgesetzten veröffentlicht. Das hat einen faden Beigeschmack.“