Retter im „Abistress“ Leverkusen feiert Offensiv-Juwel Havertz

Ingolstadt (dpa) - Seine Reifeprüfung als Fußball-Profi hat Kai Havertz schon mal mit Bestnoten bestanden.

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Der 17 Jahre alte Schüler, der gerade mitten in den Abiturprüfungen steckt, bewahrte den tief gestürzten Champions-League-Teilnehmer Bayer Leverkusen mit seinem zweiten Treffer in der Fußball-Bundesliga zum 1:1 (0:0) beim Tabellenvorletzten FC Ingolstadt zumindest schon mal vor dem direkten Abstieg. In der 78. Minute verwertete der Teenager einen Eckball entschlossen mit dem Kopf und erlöste damit Kollegen, Fans und auch Rudi Völler vor noch schlimmeren Alpträumen im Saisonendspurt.

„Bei dem Tor sieht man, dass Kai das Näschen hat, wo der Ball hinkommen kann. Wir sind sehr glücklich, dass wir den Jungen haben“, sagte Völler. Der emotional mitgenommene Sportdirektor, der diesmal schon nach acht Minuten von der Tribüne in die Katakomben geflüchtet war, gönnte sich nach 90 Minuten Kampf und Krampf auf Einladung des ebenfalls geschafften FCI-Bosses Peter Jackwerth („Es wird für uns jetzt sehr kritisch“) einen Schnaps zur Beruhigung.

„Es ist eine verfluchte Saison“, stöhnte Völler. Und als gefeierter Bayer-Retter fungierte nicht etwa ein erfahrener Torjäger wie Stefan Kießling oder ein Starstürmer wie der Mexikaner Javier Chicharito Hernández, der 90 Minuten auf der Bank schmoren musste. Nein, es war das Offensiv-Juwel Havertz in seinem erst 22. Bundesligaspiel.

Interviews sollte der Schuljunge, der noch am Donnerstag eine Geografie-Klausur schreiben musste, nach dem Spiel nicht geben. Die Lobeshymnen übernahmen die Kollegen, allen voran Bundesliga-Veteran Kießling: „Kai ist ein super Fußballer, der hat auch noch seinen Abistress. Ich ziehe meinen Hut davor, was er in der Saison alles geleistet hat. Das ist Wahnsinn, der ist 17 Jahre alt!“

Ein Nationalspieler wie Kevin Volland dagegen vergab kurz nach dem Ausgleich die große Chance zum Leverkusener Siegtor (82. Minute). Drei Punkte wären aber des Guten zu viel gewesen für ein Bayer-Team, das immerhin gezeigt habe, „das wir bereit sind für diesen Abstiegskampf“, wie Tayfun Korkut hervorhob. Der glücklose Trainer - nur ein Sieg in neun Spielen - war mit einer jungen Elf „hohes Risiko gegangen“, wie Völler sagte. Und Korkut wurde für den Mut belohnt.

Anders als die Ingolstädter. Ihr hoher Aufwand hätte sich vor 14 351 Zuschauern mit dem späten Führungstor von Sonny Kittel (73.) beinahe ausgezahlt. Ein Punkt könnte nun zu wenig sein, um wenigstens noch die Relegtation gegen den Dritten der 2. Liga zu erreichen. „In Freiburg heißt es jetzt friss oder stirb“, bemerkte Kapitän Marvin Matip drastisch: „Jetzt helfen uns nur noch zwei Siege.“

Aufgeben wird bei den Oberbayern, die im Endspurt um Verteidiger Markus Suttner (Bänderverletzung am Fuß) bangen, niemand. „Die Bundesliga hat schon so viele verrückte Geschichten am 34. Spieltag geschrieben. Warum nicht auch in diesem Jahr?“, sagte Trainer Maik Walpurgis trotzig. An ihm liegt die knifflige Lage nicht.

28 Punkte sammelte der Tabellenvorletzte in den 22 Partien mit Walpurgis; im Schnitt 1,27 Zähler. Hochgerechnet auf 34 Spieltage ergäbe das 43 Punkte und den sicheren Verbleib in der Bundesliga. Nun geht die letzte Hochrechnung von Walpurgis für ein Rettungswunder so: „Wir brauchen jetzt einen Sieg in Freiburg, der uns in zwei Wochen hier gegen Schalke ein Endspiel bescheren könnte.“