Lieberknecht vor brisantem Derby wieder ganz der Alte
Braunschweig (dpa) - Am Ende einer turbulenten und emotionalen Woche ist Torsten Lieberknecht wieder ganz der Alte. Kampfeslustig, spitzbübisch und enthusiastisch wie eh und je geht der Trainer von Eintracht Braunschweig in das Derby am Samstag beim VfL Wolfsburg.
Als hätte es die Aufregung über seinen möglichen Rücktritt nach dem 0:4 gegen Stuttgart nie gegeben. „Ich bin der Letzte, dem nichts mehr einfällt. Ich habe immer 1000 Lösungen parat“, verkündete der Coach des Tabellenletzten der Fußball-Bundesliga am Freitag forsch.
Lieberknecht versprüht vor dem auch für ihn brisanten Derby Selbstsicherheit, obwohl der Aufsteiger so schlecht in die Saison gestartet ist wie kein anderes Bundesligateam zuvor. „Der Optimismus ist wieder zurück. Dienstag war er weg, seit Mittwoch ist er wieder da“, meinte Lieberknecht: „Wir haben am Dienstag eine Videoanalyse gemacht. Da hatten wir den Eindruck, dass wir in der 1. Halbzeit nicht nur gleichwertig, sondern auch besser waren. Das gibt Mut.“
Noch am Montag war Lieberknecht völlig mutlos und bestätigte den Eindruck vom Vortag, als er bedröppelt vor die Presse getreten war und sich selbst infrage gestellt hatte. Schnell kamen Spekulationen über einen Rücktritt des Aufstiegscoaches auf, der die Eintracht von der dritten zurück in die erste Liga geführt hatte. „Ich weiß gar nicht, wer da auf den, ja schizophrenen Gedanken gekommen ist, so etwas zu denken“, sagte Lieberknecht nun in einem Sport1-Interview: „Ich werde hier nicht zurücktreten. Definitiv nicht.“
Lieberknechts Rolle rückwärts mag die Wolfsburger in der Annahme bestätigen, Auftritt und Aussagen von Sonntag („Ich bin keiner, der weglaufen möchte, aber trotzdem komme ich ins Grübeln“) seien bewusst getätigt worden, um noch einmal das Wir-Gefühl zu stärken. „Er hat den Fokus damit komplett auf sich gezogen. Das hat er gut gemacht“, meinte VfL-Coach Dieter Hecking und Manager Klaus Allofs urteilte: „Ich glaube, es war eine überlegte Handlung. Denn es geht doch immer darum, neue Reize für die Mannschaft zu setzen.“
War es tatsächliche pure Berechnung, so ging der vermeintliche Plan zumindest emotional auf. Vom Präsidium und Fans gab es volle Rückendeckung. Allein am Mittwoch pilgerten rund 500 Fans trotz der miserablen sportlichen Bilanz des Tabellenletzten von einem Punkt und 3:18 Toren aus sieben Spielen zum Training und feierten Trainer und Spieler lautstark. „Die Fan-Aktion war gut für das Herz. Ich habe es der Mannschaft weitergegeben, das wird für zusätzliche Motivation sorgen“, sagte Lieberknecht, der um seine Popularität in der Stadt weiß. Teilweise bekamen Fans, die am Mittwoch kamen, bereitwillig von ihren Arbeitgebern kurzfristig frei.
Indes ist Lieberknechts Aktion - ob geplant oder aus der Emotion heraus getätigt - auch riskant. Über mangelnde Unterstützung konnte sich der Aufsteiger auch in den ersten sieben Spielen nicht beklagen. Trotzdem reichte es nur zu einem Pünktchen. In vielen Spielen wurde zudem ein Klassenunterschied offenbar. Schon einmal in dieser Saison lenkte der ehrgeizige und emotionale Coach nach der herben 0:4-Klatsche beim Hamburger SV mit einer Wutrede den Fokus auf sich.
Die Frage bleibt, wie Lieberknecht nach womöglich weiteren deutlichen Niederlagen in der noch langen Saison reagiert. Und Lieberknecht weiß auch, dass es trotz der erneuten Extra-Portion Motivation auch am Samstag wieder extrem schwer wird für sein spielerisch limitiertes Team. „Wir brauchen eine nicht alltägliche Leistung, um in Wolfsburg zu gewinnen“, bekannte Lieberknecht.