Krise des Gute-Laune-Clubs Mainz muss „sehr, sehr wach sein“
Darmstadt/Mainz (dpa) - So hatte Christian Heidel sich das nicht vorgestellt, als er im Sommer von Mainz 05 zu Schalke 04 wechselte.
Wenn der umtriebige Fußball-Manager am nächsten Sonntag in seiner neuen Funktion auf sein altes Lebenswerk trifft, stecken beide Vereine in der unteren Tabellenhälfte der Bundesliga fest.
Doch während eine gewisse Unruhe sowie derbe sportliche Rückschläge „auf Schalke“ quasi zur Folklore gehören, ist beides für Mainz 05 neu. Dort mündeten eine schwere Führungskrise und die Unbeständigkeit eines eigentlich sehr talentierten Teams am Samstag in eine völlig verdiente 1:2 (1:2)-Niederlage beim Tabellenletzten Darmstadt 98. Spätestens jetzt sind auch die Mainzer mittendrin im Abstiegskampf.
„Jeder kann die Tabelle lesen. Wir sollten gewarnt sein. Wir sollten sehr, sehr wach sein“, sagte Rouven Schröder, Heidels Nachfolger als Mainzer Sportchef. „Wir hatten schon gegen Bremen die Möglichkeit, uns unten abzusetzen. Das haben wir heute wieder nicht geschafft. Wir sollten nicht zu viele Möglichkeiten liegen lassen.“
Vieles von dem, was gerade in Mainz passiert, ist eigentlich unvereinbar mit dem Image und der Selbstwahrnehmung dieses über Jahre so beständig und erfolgreich geführten Clubs.
Die 05er suchen einen Nachfolger für ihr langjähriges Gesicht Harald Strutz, weil sich der dienstälteste Präsident der Bundesliga durch umstrittene Aufwandsentschädigungen und vermeintliche Kungeleien bei der Umstrukturierung des Vereins schwer angreifbar gemacht hat. Der 66-Jährige stand auch in Darmstadt im Kabinentrakt, aber er sagt nichts mehr. Darauf hat er sich mit dem Rest-Vorstand geeinigt, damit aus einer Führungskrise nicht auch noch eine Schlammschlacht wird.
Rein sportlich gesehen hat sich der Club sogar ein Leitbild gegeben („Der Mainzer Fußball“), in dem Motive wie Vorwärtsverteidigung, Gegenpressing, Emotion und Begeisterung schriftlich verankert sind. Am Samstag lief dann aber eine Mannschaft aufs Feld, die in den vergangenen Monaten mit exzellenten Fußballern verstärkt wurde, ihre spielerischen Möglichkeiten diesmal aber auf ziemlich pomadige Weise überschätzte. „Das war eine Einstellungssache“, sagte Danny Latza.
Schon nach zwölf Minuten lag Mainz durch Tore von Aytac Sulu (5.) und Sidney Sam (12./FE) mit 0:2 zurück. Robin Quaison (45.+3) traf noch zum 1:2, zu mehr reichte es trotz einer halbstündigen Überzahl nach der Gelb-Roten Karte für Darmstadts Mario Vrancic (59.) nicht. Am Ende sah auch 05-Profi Stefan Bell Gelb-Rot (90.). Und Trainer Martin Schmidt haderte: „Ich habe versucht, meinem Team in Wort, Bild und Videomaterial zu vermitteln, was hier passiert. Aber entweder habe ich undeutlich geredet oder das Team hatte taube Ohren.“
In seinem Befund war der Schweizer eindeutig: „Für uns ging es immer nur um den Klassenerhalt. Das ist ein Kraulen, ein Festklammern und ein steter Kampf. Und den werden wir annehmen.“
Seine Analyse fiel allerdings sehr differenziert aus. „Wir haben in diesem Jahr immer wieder gute Leistungen gezeigt, an denen wir uns hochhieven. Aber dann kommt alle zwei, drei Wochen wieder eine Leistung, mit der wir zurückfallen. Das hat mit unserer Entwicklung zu tun“, so Schmidt. „Wir sind noch kein Verein, der kontinuierlich punktet und sich Richtung einstellige Tabellenplätze entwickelt.“
Den Abstiegskampf hält er in diesem Jahr für besonders gefährlich: „Die, die schon lange weit hinten stehen, haben immer wieder gute Phasen. Und die, die eigentlich in den gemäßigten Zonen sind, fühlen eine gewisse Sicherheit. Aber plötzlich ist man wieder mit drin.“
Genau das ist Mainz 05 in Darmstadt passiert. Es war ein Tag, der den Verein einiges kosten wird. Die Fans brannten im Stadion viel Pyrotechnik ab. Eine Geldstrafe ist deshalb mit Sicherheit fällig. Wie teuer die Niederlage sportlich sein wird, muss sich noch zeigen.