Ex-Düsseldorfer steckt mit Stuttgart im Abstiegskampf Martin Harnik, das Stehaufmännchen

Wenn der VfB Stuttgart den Klassenverbleib schafft, hat auch der ehemalige Düsseldorfer einen Anteil daran

Martin Harnik flog gegen Bremen mit Gelb-Rot vom Platz, am Ende durfte er trotzdem Jubeln.

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Stuttgart. Der Mann mit der Nummer 7 auf dem Rücken blieb erst einmal ruhig stehen und atmete tief durch. Dann schon stürmten die Kameraden auf ihn zu und beglückwünschten ihn herzlich. Es war die 70. Minute im Spiel der Fußball-Bundesliga zwischen dem VfB Stuttgart und Werder Bremen. Soeben hatte der VfB den Führungstreffer zum 2:1 erzielt. Das erste Schulterklopfen erhielt jedoch nicht Torschütze Daniel Ginczek, sondern Martin Harnik. Der Mann mit der Nummer 7. Und die personifizierte Dramatik bei den Stuttgartern. Ein Fußballer zwischen Genie und Wahnsinn. Zwischen Fehlpass und Tor(vorlage).

Zwischen Bundesliga und 2. Bundesliga. „Es war brutal, was in diesen zehn Minuten auf mich eingestürzt ist“, sagte Harnik später, glücklich über den wichtigen 3:2-Sieg, durch den die Mannschaft nach acht Spieltagen ganz unten zumindest vom letzten auf den vorletzten Platz geklettert ist. Und sechs Spieltage vor dem Saisonende viel Mut geschöpft hat. In der 61. und 63. Minute hatte Harnik beim Stand von 1:1 dilettantisch zwei Chancen einer Kategorie vergeben, die gerne als 150-prozentig bezeichnet wird.

Anschließend gab es Pfiffe von der Haupttribüne — als ob sich der Österreicher nicht selbst genug gegrämt hätte. „Das bekommt man alles mit, jeder einzelne Pfiff hat wehgetan“, erklärte Harnik. Aber er rannte weiter. Und — Timo Werner machte sich schon zur Einwechslung bereit — gab sieben Minuten später mit viel Einsatz die Vorlage zum 2:1. Auch Christian Gentners frühen Treffer zum 1:0 hatte er schon vorbereitet. „Wir haben uns alle für ihn gefreut, deshalb sind wir auch direkt zu ihm gelaufen“, sagte Kollege Georg Niedermeier später. Die VfB-Mannschaft ist im permanenten Abstiegskampf enger zusammengerückt. Und sie weiß, dass sie Harnik — mit sechs Treffern immer noch bester Stuttgarter Saisontorschütze — braucht. Mit seinem Einsatz. Und trotz seiner Fehler.

Aber Harniks persönliches Drama — und damit das der Mannschaft — ging noch weiter. In der 84. Minute musste er nach einem nicht bösen, aber übermotivierten Foul mit Gelb-Rot vom Platz. Den Bremer Ausgleichstreffer vier Minuten später („Da hätte mich vergraben können“) sah er am Fernseher in der Kabine. Ginczeks Siegtor hörte er nach eigener Erzählung nur, denn er hatte den Kopf in den Händen vergraben. Anschließend rannte er auf den Platz. Diesmal war er erster Gratulant von Ginczek.

Auch Stuttgarts Sportvorstand Robin Dutt teilte Harniks Freude. „Dass er die Chancen reinmachen muss, brauche ich ihm nicht zu sagen“, erklärte er mit einem milden Lächeln. „Er ist keine 18 Jahre mehr und hat die entsprechende Erfahrung. Das ist Qualität“, sagte er dazu, wie Harnik die Rückschläge weggesteckt hatte.

Der Spieler selbst sah das ähnlich. „Vielleicht ist das der Grund, warum wir zu den wenigen gehören, die in der Bundesliga spielen dürfen“, erklärte er nachdenklich. „Kalt lässt einen das nicht. Ich bin froh, dass ich meinen Beitrag dazu leisten konnte, dass es gut gegangen ist.“

Wie es um den VfB bestellt wäre, wenn die Sache nicht gut gegangen wäre, mochte sich Harnik gar nicht vorstellen. Nun aber ist er vom Klassenverbleib mehr denn je überzeugt. Auch weil die Mannschaft gelernt hat, mit dem Druck klarzukommen. Dass die Konkurrenten mit Ausnahme des neuen Letzten Hamburger SV zuvor bereits gepunktet hatten, machte die Angelegenheit gegen Werder nicht leichter. „Wenn man so lange die Rote Laterne mit sich rumträgt, lernt man, mit dieser Situation umzugehen“, sagte Harnik.

Der Erfolg gegen Bremen war angesichts des späten Siegtreffers glücklich. Aber Harnik wollte doch darauf hinweisen, „dass er verdient war“. Und hat der VfB auch verdient, in der höchsten deutschen Spielklasse zu bleiben? „Das haben wir sowieso verdient. Der VfB Stuttgart gehört in die Bundesliga.“ Auch Stehaufmännchen Martin Harnik. Trotz seiner Fehlpässe und vergebenen Chancen. Tief durchatmen und weitermachen. Am Samstag in Augsburg. Allerdings ohne Harnik. Der ist gesperrt.