FC-Bayern-Urgestein Müller und ein „Weckruf“ - „Parade-Bayer“ ist gefordert
Rottach-Egern (dpa) - Der „Weckruf“, wie Thomas Müller es nennt, war für den Fußball-Nationalspieler nicht etwa die enttäuschende WM. Die Muskelverletzung, die den Torjäger in der Vorsaison fünf Wochen außer Gefecht setzte, ermunterte ihn, „noch fleißiger“ an seinem schlaksigen Körper zu arbeiten.
„Man legt noch mehr Augenmerk auf Flexibilität und ist öfter im Kraftraum zu sehen. Was nicht heißt, dass man Gewichte stemmt, dass einem die Arme platzen“, sagte der Weltmeister von 2014 und griff sich an den Oberarm. „Das sieht man ja, das ist bei mir immer noch nicht passiert.“
Sechs Wochen nach dem deutschen WM-Frusterlebnis ist der zum Abschluss des Trainingslagers am Donnerstag in Rottach-Egern noch einmal extra-laut bejubelte Müller längst wieder mit vollem Elan beim FC Bayern zurück. Und nach gut zwei Trainingswochen lässt Trainer Niko Kovac seine Stars am Sonntag (20.30 Uhr) im Supercup gegen Eintracht Frankfurt zum ersten Pflichtspiel der Saison los. „Wir sind jetzt extrem hungrig auf Erfolgserlebnisse gerade nach den letzten Monaten“, sagte Müller. Aus in der Champions League, Pleite im Pokalfinale - und dann kam auch noch Russland dazu. „Wenn man zurückdenkt, tut es schon weh. Man hat großen Aufwand betrieben.“
Gemeint ist vor allem das Königsklassen-Halbfinale gegen Real Madrid. Damals wurde den Münchnern - und Müller - „der Stecker“ gezogen. Rein bekam die Münchner Galionsfigur diesen wie viele Teamkollegen nicht mehr, die Fußballformel „WM-Jahre sind Müller-Jahre“ verlor auch noch ihre Gültigkeit. „Wenn einem jeder auf die Schulter klopft, lässt man sich eher in den Liegestuhl zurückfallen als wenn man gerade so eine mitbekommen hat“, sagte der 28-Jährige zur neuen Motivation.
Bis 2021 ist sein Vertrag in München dotiert, seine wichtige herausragende Position soll und möchte er in der kommenden Saison unterstreichen. „An seiner Qualität gibt es keinen Zweifel. Aber wie für alle Nationalspieler gilt auch für Thomas: Er ist in der kommenden Saison sehr gefordert“, mahnte Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge. „Wir brauchen Thomas Müller in bester Verfassung. Er ist für unseren Club sehr wichtig, ein Parade-Bayer. Aber der Fußball ist eine Hochleistungsgesellschaft. Da musst du top sein.“
Es könnte ein wegweisendes Jahr für den 28-jährigen Müller werden - durch die Zugänge von Leon Goretzka und Serge Gnabry wurde der Konkurrenzkampf weiter erhöht.
Höchst motiviert schuftet Müller in der Vorbereitung, die er wie die anderen deutschen WM-Teilnehmer am 25. Juli aufgenommen hat. Lautstark gab er bei den Einheiten am Tegernsee Kommandos, freute sich über Trainingstore oder Törchen wie beim 20:2 am Mittwochabend im lockeren Freundschaftsspiel oder erledigte die Medienarbeit ausgiebiger als andere Bayern-Stars. Wenngleich ihm die öffentliche Welt des „Zündelns“, wie er es gerne nennt, nicht gefällt.
Auch die sportliche Bewertung seiner eigenen Person schmeckt dem 94-maligen Nationalspieler nicht jeden Tag gleich gut. „Die Saison hat kein super Ende genommen, aber wenn man der beste Vorlagengeber der Liga ist und trotz Verletzung acht Tore gemacht hat, weiß ich nicht, ob man von einer persönlich schwachen Saison sprechen kann“, konterte Müller mit Verweis auf seine 16 Vorlagen in 29 Ligaspielen.
Doch gerade Müllers unkonventionelle Spielweise, die statt mit Super-Tricks oder ausgiebigen Soli mit raffinierten Läufen und viel Instinkt besticht, korreliert besonders eng mit Titeln.
„Jedes Wort über Thomas Müller wäre meiner Meinung nach zu viel. Wir wissen, wie wertvoll er ist für den FC Bayern München, aber auch für die deutsche Nationalmannschaft“, sagte Niko Kovac. Der Neu-Trainer weiß auch um den Wert des Offensivspielers als Führungskraft.
Müller könnte zugute kommen, dass Kovac neue taktische Varianten spielen lassen möchte. „Ich habe ein ganz klares Profil an Stärken und Schwächen. Für dieses Profil gibt es Positionen, auf denen mehr die Stärken rauskommen, und andererseits Positionen oder Situationen, bei denen die Schwächen offen gelegt werden“, beschrieb es der Profi selbst. Die Stärken sieht Müller auf den Halbpositionen im Mittelfeld oder hinter der Spitze, und hofft dabei auf dosierte Veränderungen im dominanten Spiel der Bayern. „Wir wollen nicht auf Biegen und Brechen Ballbesitz, sondern Spiele gewinnen“, sagte der 28-Jährige. „Ein langer Ball zur richtigen Zeit hat auch schon sein Gutes.“