Nach Rot-Festival: Schiedsrichter in der Kritik

Frankfurt/Main (dpa) - Schiedsrichterboss Herbert Fandel ist nach dem bisher einmaligen Rot-Festival in der Bundesliga-Geschichte bemüht, die Wogen der Empörung zu glätten.

Die Rekord-Flut von acht Platzverweisen hatte viele Vereinsvertreter auf die Palme gebracht, doch Fandel wollte die teils massive Kritik an den Unparteiischen nicht geltenlassen und stellte sich vor seine Pfeifen-Männer. „Sie haben bei den allermeisten Entscheidungen richtig gelegen“, erklärte Fandel in einem Interview auf der DFB-Homepage.

Wut und Unverständnis herrschten dagegen bei den Betroffenen. „Die Rote Karte für Traoré war ein Wahnsinn“, schimpfte Stuttgarts Sportvorstand Fredi Bobic nach dem 1:2 in Augsburg am Sonntagabend in der TV-Sendung „Mittendrin - Der Fußballtalk“ auf Sport1. „Da fordere ich auch einen Freispruch vom DFB.“

In Unterzahl konnten die Stuttgarter das Spiel nicht mehr drehen, was Trainer Bruno Labbadia am Montagmorgen den Job kostete. Kurz nach dem Abpfiff hatte dieser noch Verständnis für seinen Freiburger Kollegen Christian Streich geäußert, der sich am Samstag über die unberechtigte Gelb-Rote Karte für Francis Coquelin beim 3:3 in Hoffenheim in Rage geredet hatte. „Ich kann den Kollegen verstehen, dass er fast durchgedreht ist“, sagte Labbadia.

Fandel räumte in beiden Fällen eine Fehlentscheidung ein. „Ich verschließe nicht die Augen vor den Situationen, in denen die Schiedsrichter nicht das richtige Maß angelegt und nicht die richtige Entscheidung getroffen haben“, sagte er.

Bobic hatte sich am Samstag im Teambus auf dem Weg nach Augsburg noch über einige Entscheidungen der Schiedsrichter amüsiert, nach dem Abpfiff war ihm das Lachen vergangen. „Was an diesem Wochenende passiert ist, war schon extrem. Da waren Sachen dabei ... Es gab Situationen, da kannst du keine Karte zücken, geschweige denn eine Rote Karte“, meinte Bobic und mutmaßte: „Ich weiß nicht, an was es liegt, vielleicht stehen die Schiedsrichter zu sehr unter Druck.“

Auch aus anderen Stadien hagelte es Kritik. „Die Leistung des Schiedsrichters war einfach nicht gut“, stellte Schalkes Sportdirektor Horst Heldt nach dem 1:2 bei Hannover 96 fest. Wie in Hoffenheim flogen auch dort gleich drei Spieler vom Platz. „Mittlerweile ist das eine bedenkliche Entwicklung bei den Roten Karten. Vielleicht muss man nicht immer gleich Rot geben, wenn man Rot geben kann. Vielleicht tut es auch mal Gelb, sonst enden die Spiele künftig immer mit neun Mann gegen acht“, warnte Hannovers Sportdirektor Dirk Dufner.

Ähnlich sieht es der frühere Nationalspieler Thomas Berthold. „Fußball ist ein Kontaktsport. Gerade im europäischen Vergleich sollten wir uns der Härte anpassen. Die Zuschauer wollen doch Zweikämpfe sehen, aber wenn der Schiedsrichter dann laufend Spieler vom Platz stellt, spielen wir bald fünf gegen fünf in Deutschland“, sagte Berthold bei Sport1 und fügte kritisch hinzu: „Die Schiedsrichter spielen zu oft eine Hauptrolle bei den Spielen.“

Dieter Hecking bemängelte unterdessen die unterschiedliche Bewertung gleicher Spielszenen durch die Referees. „Damit kann ich nicht einverstanden sein“, sagte der Trainer des VfL Wolfsburg. Bei Fandel stößt er damit auf offene Ohren. „Unser Ziel muss es immer sein, weiter daran zu arbeiten, eine noch größere Einheitlichkeit bei der regeltechnisch notwendigen und dem Tathergang entsprechenden Beurteilung von Situationen zu erreichen“, forderte der Schiedsrichter-Boss. Den Schwarzen Peter für die vielen Feldverweise wollte er sich jedoch nicht zuschieben lassen. Die Ursache sei, „dass zu Beginn der Saison bei einigen zu viele Emotionen im Spiel sind.“