Nach SMS-Affäre und Kind-Kritik: Hannover 96 kriselt
Hannover (dpa) - Als den Fans aus Hannover nichts Besseres mehr einfiel, schrien sie im Bremer Weserstadion: „Scheiß Eintracht Braunschweig!“ Der Lieblingsgegner eint die 96-Anhänger, gerade wenn es bei den Profis auf dem Rasen überhaupt nicht läuft und es nichts zu feiern gibt.
Die Krise, in die der ambitionierte Fußball-Bundesligist peu à peu gerutscht ist, war bei der 2:3 (2:2)-Niederlage bei Werder nicht zu übersehen - ausgerechnet fünf Tage vor dem brisanten Niedersachsen-Derby gegen Braunschweig.
Derzeit läuft fast alles schief bei 96. Nach einer äußerst turbulenten Wochen mit einer verbaselten Spielgenehmigung für Kapitän Steven Cherundolo, der daraus entstanden SMS-Lügen-Affäre und der Kritik von Clubchef Martin Kind setzte es in Bremen die dritte Niederlage in Serie. „Vor dem Derby eine kleine sportliche Krise zu haben, ist nicht besonders schön“, sagte Manager Dirk Dufner.
Nicht klein, sondern groß ist die Krise vor allem in fremden Stadien. Fünf Niederlagen bei fünf Versuchen machen 96 zur schlechtesten Auswärtsmannschaft der Liga. Platz vier bis sechs lautete die Zielvorgabe des Clubchefs, doch zu Beginn ihrer norddeutschen Derby-Wochen haben sich die Hannoveraner im Mittelmaß festgesetzt. „Unsere Ansprüche sind eindeutig formuliert, den können wir im Moment nicht gerecht werden“, kommentierte 96-Coach Mirko Slomka: „Deshalb sind wir besonders enttäuscht. Das tut weh.“
Clubchef Kind kommentierte: „Sorge ist es noch nicht, aber das Wunschkonzert war anders.“ In seiner unnachahmlichen Art kritisierte der 96-Boss: „Wenn ich die Leistungsentwicklung sehe, muss man defensiv sein mit den Erwartungen.“
Nach den eigenen Toren durch Szabolcs Huszti (20./Foulelfmeter) und Hiroki Sakai (41.) sowie den Werder-Treffern von Aaron Hunt (25./Foulelfmeter) und Cedrick Makiadi (39.) kassierte 96 kurz vor Schluss durch Santiago Garcia den Tiefschlag. „Wenn es nicht läuft, und das ist momentan bei uns der Fall, dann kassierst du auch in der 86. Minute so ein Gegentor“, sagte Slomka: „Da müssen wir jetzt durch.“
Der Druck steigt durch das sechste Pflichtspiel ohne Sieg weiter, auch wenn Slomka mit Blick auf die besondere Bedeutung des Niedersachsen-Derbys sagte: „Das müssen wir eh gewinnen - egal, ob wir gewonnen oder einen Punkt geholt hätten.“
Andererseits kann jetzt nur ein Sieg gegen Braunschweig helfen, die aufkommende Unruhe zu dämpfen. Denn es rumort bereits in Hannover. Clubchef Kind hatte in der Vorwoche Slomka sowie Dufner und Pressesprecher Alex Jacob zum Rapport bestellt und deutliche Kritik geäußert, weil ihn mehrere Dinge verärgert hatten.
Dabei ging es vor allem um die fehlende Spielgenehmigung für Cherundolo und die folgenden Unwahrheiten: Slomka hatte in einem TV-Interview fälschlicherweise von einer Rückenverletzung des Kapitäns berichtet, genauso wie der Pressesprecher in einer SMS an Journalisten. Nach Kinds Kritik schoss Dufner öffentlich zurück.
„Ich bin mehr ein Freund davon, dass man Dinge intern regelt“, sagte der Manager der „Kreiszeitung Syke“: „Wenn meine Angestellten einen Fehler machen, dann trage ich das nicht nach außen, sondern schütze sie eher noch.“ Kind sagte zu der schwierigen Gemengelage bei den Führungskräften des Vereins: „Es wird sich beweisen, wie stabil die Strukturen sind.“