DFB-Trainer des Jahres Nagelsmann: Realist in einer Scheinwelt

Neu-Isenburg (dpa) - Trotz des phänomenalen Aufstieg als Bundesligatrainer vergisst Julian Nagelsmann die Gesetze des Fußballgeschäfts nicht.

„Es wird mich am Tag X nicht überraschen, wenn ich meine Sachen packen muss. Das Schöne ist, es ist berechenbar“, sagte der 29-jährige Chefcoach von 1899 Hoffenheim, der am Montagabend vom DFB mit dem „Trainerpreis des deutschen Fußballs 2016“ ausgezeichnet wurde. Er hatte die Kraichgauer als jüngster Trainer der Liga-Geschichte 2015/2016 vor dem Abstieg gerettet und kann nun als Tabellenvierter von der Champions League träumen.

Der Senkrechtstart vom Absolventen der Fußball-Lehrer-Ausbildung des DFB vor einem Jahr zum geehrten und verehrten Cheftrainer hat er nicht erwartet. „Man hat es sich erträumt, dass es so läuft, wie es momentan läuft“, sagte Nagelsmann. „Dass auch schlechte Zeiten kommen, weiss ich auch.“

Keine Gefahr sieht er, nach den Lobenhymnen abzuheben. „Es hilft gut, wenn man abends zur Familie zurückkommt und man sich bewusst ist, dass das Ganze nur eine Scheinwelt ist, ein Monopoly mit Regeln“, sagte Nagelsmann. „Ich lese auch nicht so viel über mich.“

Bei der Trainerpreis-Verleihung hörte er aber viele Lobpreisungen. „Er ist einfach ein Typ. Er lebt Fußball“, sagte DFB-Sportdirektor Horst Hrubesch. „Ich würde ihn nicht als Konzepttrainer bezeichnen, sondern er ist ein Mensch, der mit Menschen arbeiten und seine Ideen umsetzen will.“ Hoffenheims Mäzen Dietmar Hopp würde Nagelsmann zwar gerne lebenslänglich als Coach behalten, wäre aber auch schon froh, den bis Juni 2019 laufenden Vertrag noch einmal verlängern zu können: „Es sind viele Erfahrungen, die er braucht, wenn er als großer Trainer einmal bei einem ganz großen Verein tätig sein will.“

Auf Spekulationen, renommierte Clubs wären schon an ihm dran und ein vorzeitiger Ausstieg möglich, reagierte er ausweichend. „Ich habe meinen Vertrag und wir halten es wie bei allen Spielern: Wir kommentieren keine Gerüchte“, erklärte er abgeklärt.

Dass er jedoch noch viele ehrgeizige Ziele hat, verhehlt er dagegen nicht. „Mein Ziel ist, irgendwann in ein europäisches Finale zu kommen“, sagte Nagelsmann. „Wenn es mir mit Hoffenheim gelingt, gelingt es mir mit Hoffenheim, ansonsten vielleicht mit einem anderen Club.“ Ein Wechsel ins Ausland sei für ihn kein zwingender Wunsch.

Welchen Weg das Trainer-Talent auch wählen wird. Für DFB-Präsident Reinhard Grindel ist Nagelsmann für die „höheren Herausforderungen“ an Trainer - wie den vor zehn, zwanzig Jahren noch undenkbaren Medienhype - gewappnet. „Zu diesen zusätzlichen Aufgaben, die ein Trainer hat, passt Julian Nagelsmann. Deshalb hat er den Preis auch verdient.“

Ausgeschlossen ist es nicht, dass Grindel oder einer seiner Nachfolger den Mann der Zukunft einmal als Bundestrainer einstellen wird. „Darüber habe ich mir noch keine Gedanken gemacht. Die tägliche Arbeit macht mir sehr viel Spaß“, meinte Nagelsmann. „Vielleicht kann es in der Zukunft mal sein, dass ich mir das überlege.“

Überhaupt schließt er nichts aus. „Ich bin offen für alles Mögliche, wenn intelligente Leute Lösungen oder Ideen für mich haben, wie mein Karriereweg aussehen kann“, sagte Nagelsmann. „Das Gesetz, dass der Fußball sehr schnelllebig ist, werde ich nicht außer Kraft setzen.“