Notbremse für die Geschichtsbücher - Roleder wird 60
Stuttgart (dpa) - Was genau eine Notbremse war, wussten damals nur die wenigsten Keeper. „Niemand hatte uns Torhüter darauf vorbereitet, es gab vonseiten des DFB keine Belehrungen in Sachen Notbremse“, erzählte Helmut Roleder der Nachrichtenagentur dpa.
„Ich selbst hatte mich mit dem Thema auch nicht beschäftigt, war unvorbereitet, was dann plötzlich auf mich zukam“, sagte Roleder, der am 9. Oktober in Tiefenbronn-Mühlhausen nahe Stuttgart seinen 60. Geburtstag feiert.
Es war der 9. April 1983, als Roleder Bundesliga-Geschichte schrieb. Im Spiel gegen den VfL Bochum (2:2) kassierte er im Trikot des VfB Stuttgart als erster Torhüter die Rote Karte für eine Notbremse. „Ich hätte mit einer Gelben Karte und einem Freistoß gerechnet“, sagte er verblüfft.
Die Ereignisse rund um die 85. Minute, als er vom Platz musste, sind für den heutigen Marketingexperten und Motivationstrainer nicht mehr als eine Anekdote. „Es ist nur ein kleines Puzzle-Teil in meiner Karriere. Wenn nur diese Rote Karte von meiner Karriere hängen bleiben sollte, wäre das irgendwie komisch“, bekannte Roleder.
Der damalige VfB-Boss Gerhard Mayer-Vorfelder, der den Keeper selbst vor dem DFB-Sportgericht verteidigte, reagierte erbost auf die drohende Sperre. „Wenn die Entscheidung nicht korrigiert wird, ist das Vertrauen in das Gleichheitsprinzip zerstört“, stänkerte Mayer-Vorfelder. Nichts half. Roleder wurde für vier Wochen gesperrt.
Sein Fußballer-Leben hatte ohnehin viel mehr zu bieten. Da war zum Beispiel ein Einsatz für die Nationalmannschaft am 28. März 1984 beim 2:1 gegen die damalige Sowjetunion. Da war die dritte Meisterschaft mit dem VfB 1984. Da war aber auch das bittere Karriereende 1986, als er wegen einer Hüftarthrose zwei Jahre vor Vertragsende seine Laufbahn nicht mehr fortsetzen konnte.
„Es war schmerzhaft. Das hat meine Karriereplanung über den Haufen geworfen“, erinnerte sich Roleder. „Mir war aber immer klar, dass auch nach der Karriere ein Leben stattfindet.“ Erst arbeitete der 280-malige Stuttgarter Bundesligaspieler weiter für den VfB in verschiedenen Funktionen, dann machte er sich selbstständig.
Mit seiner Karriere ist der Vater zweier Töchter und vierfache Opa zufrieden. Es hätte aber auch ein bisschen mehr sein können. Vor allem in der DFB-Elf, wo er an Toni Schumacher nicht vorbei kam. „Ich habe mich damals zurückgenommen. Toni stand auch gerechtfertigt weit vor mir“, erzählte Roleder. „Ich habe damals aber sicher zu wenig Lobby-Arbeit betrieben. Ich hätte mehr aus mir rausgehen können, ein Motivationstrainer Helmut Roleder hätte mir gut getan.“
Hätte er auch dem VfB als Präsident gutgetan? 2011 bewarb sich Rolder zumindest für das Amt. „Damals gab es einen Machtklüngel, der niemand anderen reinlassen wollte. Man wollte unter sich sein, es ging nur um den Machterhalt“, kritisierte er die frühere Führung. Der ehemalige Aufsichtsrat Gerd Mäuser wurde dann gewählt.
Mittlerweile hat sich Roleder beim VfB „emotional ausgeklinkt“ - zumindest was die Führungsebene betrifft. „Ich verfolge aber schon, was auf dem Rasen abgeht. Das rote VfB-Herz schlägt noch.“ Roleder wird die Stuttgarter auch weiter verfolgen. Aber erstmal steht sein Geburtstag an. „Wir haben keine große Sause geplant“, sagte er. „Ich werde ruhig im Kreise der Familie feiern.“