Pfiffe beim Casting: HSV mit Frust statt Hoffnung

Hamburg (dpa) - Schmährufe der erbosten Fans und ein „Anpfiff“ für Änis Ben-Hatira haben die erste Casting-Show beim HSV zum Reinfall werden lassen und Michael Oenning die Augen geöffnet.

„Heute hat sich manifestiert, wie wichtig es ist, dass wir einen Umbruch machen. Denn so kommen wir nicht weiter. Wir hätten Hoffnungen wecken können, haben aber überall im Stadion Frustration hinterlassen“, fasste der frustrierte Coach nach dem 0:2 (0:1) gegen den SC Freiburg die kritische Lage beim Traditionsclub trefflich zusammen. Und fügte nach dem von ihm ausgerufenen „Schaulaufen“ seiner Profis im Klartext hinzu: „Ich bin sauer und geladen. Dieses Spiel hat mir nur noch einmal den Handlungsbedarf gezeigt.“

Dabei hatte Hoffnungsträger Oenning im Spiel 1 nach dem Autogramm unter seinen Vertrag bis 2013 überwiegend jenen Profis vertraut, auf die er auch künftig bauen will. Doch als sein „Team der Zukunft“ nach der ersten Heimpleite gegen den SCF seit 1995 gesenkten Hauptes vom Feld trottete, war es Hohn und Spott des eigenen Anhangs ausgesetzt. „Wir haben die Schnauze voll“ und am Ende sogar „Auswärtssieg“ skandierte das bediente und zum Teil gar schon ins gegnerische Lager übergewechselte norddeutsche Fußball-Volk, als der Europa-League-Startrang am Samstag um 17.21 Uhr wie im Vorjahr verspielt und die Saison damit endgültig verkorkst war.

Entsprechend mies war die Stimmung auf den Rängen, die trotz der oft dargebotenen sportlichen Magerkost wie immer gut gefüllt waren. Immerhin gaben sich die einmal mehr enttäuschenden HSV-Akteure einsichtig. „Ich kann die Fans irgendwie schon verstehen“, bekannte Kapitän Heiko Westermann. „Alles war legitim, wie die Fans reagiert haben“, gab Collin Benjamin zu. „Wir haben heute kein Herz gezeigt. Wenn das so weiter geht, dann sehe ich schwarz“, ergänzte der Namibier, der den HSV am Saisonende nach fünf Jahren verlassen wird.

Sicher gehen werden auch die „Oldies“ Frank Rost und Ruud van Nistelrooy (Ziel unbekannt) sowie Piotr Trochowski (FC Sevilla) und Tunay Torun (Hertha HSC). Andere werden folgen. Um Leistungsträger wie Dennis Aogo, Gojko Kacar, Mladen Petric und Zé Roberto, mit dem bald über einen neuen Vertrag verhandelt wird, sollen aufstrebende Youngster wie Ben-Hatira, Son Heung Min oder Dennis Diekmeier das Team 2011/2012 bilden. Während der Koreaner Son gegen Freiburg noch einer der Besten war, fiel Ben-Hatira unangenehm auf, als er nach seiner Auswechslung statt zur Bank direkt in die Kabine marschierte.

„Er hat den Handschlag verweigert und ist einfach gegangen. Das geht natürlich gar nicht. Darüber werden wir sicher noch reden“, berichtete Bastian Reinhardt. Seine Meinung hatte der Sportchef dem Youngster schon direkt nach dessen Abgang per Standpauke in der Kabine mitgeteilt. Doch noch mehr als dieser Ärger plagt ihn der schwere Neuanfang beim HSV, zumal der tiefe Schnitt mit knappem Budget gelingen muss. „Natürlich mache ich mir Sorgen“, gestand Reinhardt, der darum warb, die beim HSV stets hohen Ansprüche runterzuschrauben. „Natürlich auch Sorgen für die nächste Saison.“

Dagegen herrschte beim auf Platz sieben vor den HSV vorgerückten SCF eitel Sonnenschein. „Meine Mannschaft hat Charakterstärke gezeigt und einige namhafte Teams hinter sich gelassen“, frohlockte Trainer Robin Dutt. Zum Matchwinner avancierte einmal mehr Papiss Demba Cissé, der mit seinen Saisontreffern 21 und 22 seinen Rivalen Mario Gomez (24) vom FC Bayern im Kampf um die Torjägerkanone jagt. „Er hat schon jetzt eine herausragende Saison gespielt“, lobte Dutt den umworbenen Senegalesen. So viele Bundesliga-Treffer wie er hat in einer Saison noch kein Akteur vom schwarzen Kontinent erzielt. Dazu Cissé: „Ich danke meinen Mitspielern, die mir das mit ihren Vorlagen ermöglicht haben und bin glücklich, dass ich der erfolgreichste afrikanische Torschütze in der Bundesliga-Geschichte bin.“