RB Leipzig Rangnick-Lehrling Marsch: Gekommen, um zu lernen

Leipzig (dpa) - Seinen Traum von Europa hatte Jesse Marsch schon länger im Kopf, mit RB Leipzig geht er jetzt in Erfüllung.

Fünf Jahre coachte der 44-Jährige erfolgreich in der amerikanischen Major Soccer League (MLS). Doch das Fußball-Niveau in dem Land, wo American Football, Basketball und Baseball die Massen elektrisieren, reicht nicht - will man, so wie er, höher hinaus. Die Ziele von Marsch: In naher Zukunft Cheftrainer eines europäischen Clubs und irgendwann auch US-Nationaltrainer werden. Und RB soll sein Sprungbrett sein.

Auf dem Weg dahin soll ihm vor allen Ralf Rangnick helfen, der Marsch als seinen Assistenten nach Leipzig holte. Rangnick als „Coach für ein Jahr“ wird Marsch weiter zeigen, wie die RB-DNA von aggressivem Pressing und schnellem Unschalt- und Konterspiel funktioniert, wie Fußball in Europa geht. Zwei Jahre hat Marsch Vertrag, würde ab Juli 2019 auch unter dem dann verantwortlichen Julian Nagelsmann weitermachen. „Ralf ist ein großartiger Mentor für mich. Teil eines großen Clubs zu sein, ist eine große Chance und Ehre für mich. Ich will weiter lernen und wachsen“, sagte Marsch bei seinem ersten Medientermin.

Bei dem er mit passablen Deutsch-Kenntnissen überraschte. Vor zwei Jahren fing der frühere Mittelfeldspieler an, die Sprache seiner Großeltern zu erlernen, die aus Deutschland stammen. Wohl hatte er damals schon im Hinterkopf, dass ihm das eines Tages hilfreich sein könnte. „Ich habe oft an eine mögliche Chance in Europa gedacht“, sagt Marsch, der auch über sehr gute Französisch-Kenntnisse verfügt.

Schon bei seinen Auftritten auf dem Rasen und vor den Journalisten vermittelt der Vater einer 16-jährigen Tochter und von zwei Söhnen (10 und 14) den Eindruck eines Mannes, der ganz genau weiß, was er will: Das typisch amerikanische Selbstbewusstsein und der unerschütterliche Glaube an sich selbst, aber auch charmant, einnehmend und offen. Bei den ersten Trainingseinheiten gab Marsch schon lautstark Kommandos - als wäre er schon länger da.

Dass Leipzig im Vergleich zur Weltmetropole New York nur Provinzcharme hat, interessiert Marsch nicht. Er ist ein Fußball-Besessener. „Wenn ich an Deutschland denke, denke ich an Fußball“, sagt Marsch, dessen Frau und Kinder auch nach Leipzig ziehen. Mit Vorstandschef Oliver Mintzlaff, der ihn schon als Coach zu New York Red Bulls holte, führte er am vergangenen Mittwoch die ersten Gespräche. Die Entscheidung pro Leipzig sei dann schnell gefallen. Und ihm sehr einfach.

„Ralf ist ein toller und intelligenter Trainer mit einer fantastischen Philosophie“, erklärte Marsch. Der Gang in die zweite Reihe sei für ihn kein Rückschritt und völlig unproblematisch. Entscheidend sei die Perspektive für seine persönliche Entwicklung gewesen. Sich selbst bezeichnet er auf der einen Seite als intensiven und anspruchsvollen Trainer, der sich zugleich aber auch um seine Spieler kümmere und ihnen helfe, besser zu werden. „Diese Balance kann hart sein, aber ich versuche, die richtige Balance zu finden.“

Rangnick bescheinigte dem 2015 in der MLS zum „Trainer des Jahres“ gewählten Marsch auch für Europa Cheftrainer-Potenzial. Um hier coachen zu dürfen, nahm Marsch einiges auf sich. Er absolvierte die vergangenen beiden Jahre nebenbei noch Schulungen für die Trainer-Pro-Lizenz der UEFA. Dafür flog er mehrfach nach Europa. Da kam es schon mal vor, dass er nach einer Spiel-Pressekonferenz am Samstag in den Flieger stieg, um für Seminare nach Glasgow zu fliegen. Am Dienstag stand er dann in New York beim Training wieder auf dem Platz. Diesen Ehrgeiz wird er auch bei RB an den Tag legen.