Rehhagel ohne „Allheilmittel“ zur Hertha-Premiere
Berlin (dpa) - Die Brisanz ist groß, das Interesse gewaltig. Gleich bei seiner Rückkehr auf die Bundesliga-Trainerbank steht für Otto Rehhagel eine richtungsweisende Partie an. Für seinen neuen Verein Hertha BSC geht es um ganz viel.
Sechs Pflichtspiele ohne Punkt, elf Ligapartien ohne Sieg, nur ein einziges Tor 2012. „Wir haben nicht mehr viel Zeit“, sagte der 73-jährige Rehhagel vor dem Gastspiel des angeschlagenen Hauptstadtclubs beim FC Augsburg.
Der Mitaufsteiger will beim Comeback von „König Otto“ allerdings zum Stolperstein werden. „Wir haben natürlich eine Majestätsbeleidigung vor“, sagte Augsburgs Manager Andreas Rettig im ZDF-„Morgenmagazin“. „Es zählt nur ein Sieg. Dafür werden wir alles geben“, beteuerte FCA-Trainer Jos Luhukay.
Beide Teams brauchen unbedingt die Punkte. Augsburg ist Tabellen-17. der Fußball-Bundesliga, Hertha rangiert auf Platz 15 - mit nur zwei Zählern mehr als der Mitaufsteiger. „Ein Allheilmittel habe ich auch nicht“, räumte Rehhagel allerdings bereits ein.
Doch zumindest ein Rezept zur Gesundung möchten seine zuletzt vor allem psychisch labilen Berliner Profis in die Hände bekommen. „Ich erwarte, dass er uns mit all seinen Erfahrungen weiterbringt“, sagte Torwart Thomas Kraft.
Die Fußball-Welt von „König“ Otto hat sich nicht sehr verändert. Das wurde schon in der ersten Woche in Berlin deutlich. Rehhagel setzt wie vor 40 Jahren mit dem 1. FC Saarbrücken, vor 30 Jahren mit Werder Bremen oder vor 15 Jahren mit dem 1. FC Kaiserslautern auch bei Hertha auf Disziplin, Regeln, Motivation, klare Rollenverteilungen. „Klatsch und Tratsch will ich gar nicht“, betonte der Trainer.
Viererketten sind ihm nur wichtig, so lange er damit nicht verliert. Die theoretischen Debatten um taktische Systeme hält er für lästig. „Wichtig ist, wenn der Schiedsrichter anpfeift, müssen die Spieler auf dem Feld Fragen situationsbedingt beantworten“, sagte Rehhagel vor seinem Bundesliga-Comeback nach 4165 Tagen: „Wichtig ist eine außergewöhnliche Konzentration.“
Lange war sie gut, die alte und einfache Rehhagel-Schule. Ob sie auch im Zeitalter des modernen Konzeptfußballs mit seinen wissenschaftlichen Trainingsmethoden funktioniert, werden die kommenden zehn Wochen zeigen. Rehhagels Aura wirkt offensichtlich schon. „Unter ihm zu trainieren, ist eine Ehre. Wir vertrauen ihm hundertprozentig“, meinte Jungstürmer Pierre-Michel Lasogga, den wie all seine Kollegen derzeit eine Ladehemmung plagt.
Unter Rehhagel soll diese Tormisere ein Ende haben. Übergroße Anspannung oder gar Nervosität spüre er aber nicht. Im Gegenteil zu früher, „als ich ein wandelnder Vulkan war“, sagte Rehhagel. „Ich bin reif geworden, auch wenn ich die nötige Anspannung habe. Aber ich muss auf die Mannschaft einwirken, indem ich Souveränität ausstrahle.“ Drei Vereine liegen trotz der eigenen Negativserie noch immer hinter Hertha. „Wir müssen diese Position, die wir jetzt haben, verteidigen“, sagte Rehhagel: „Noch ist ja nichts passiert.“