Robben küsst Bayern wach - Van Gaal in Triumphpose
München (dpa) - Louis van Gaal kostete den Befreiungsschlag in der Pose des Triumphators aus. Nach dem höchsten Saisonsieg des FC Bayern München mit gleich sechs Warnschüssen an Inter Mailand konnte der Trainer seine Genugtuung nicht verbergen.
„Wer hätte das gedacht?“, eröffnete van Gaal genüsslich grinsend die Pressekonferenz nach dem 6:0 (1:0) gegen den maßgeschneiderten Aufbaugegner Hamburger SV und fügte süffisant hinzu: „Sicher meine Freunde der Medien nicht.“
Im ersten seiner maximal 15 Abschiedsspiele als Bayern-Trainer konnte van Gaal besonders dank der Superstars Arjen Robben und Franck Ribéry das Ruder herumreißen und Hoffnung schöpfen, dass das bis Saisonende geschlossene Zweckbündnis des Vereins mit ihm aufgeht und er doch noch „durch das große Tor“ München verlassen kann. Kollege Armin Veh wurde dagegen am Tag nach der Klatsche vom HSV-Gelände gejagt. Co-Trainer Michael Oenning übernimmt nach einer Krisensitzung des Vorstands.
Das Minimalziel Champions-League-Platz ist für die Bayern wieder in Reichweite und die Brust vor dem Achtelfinal-Rückspiel der Königsklasse gegen Inter wieder breit. „Verrückte Fußballwelt“, meinte Robben, der mit drei Toren (40./47./55. Minute) maßgeblich dafür sorgte, dass die Depression in Jubelstimmung umschlug. „Einen Tag sind wir sehr schlecht und alles ist eine Katastrophe. Jetzt sind wir wieder die Supermannschaft. Das ist leider so im Fußball“, meinte Robben.
Die Wiedererweckung des Traumduos „Robbéry“, das sich gegen eine laut Veh am Ende „völlig kopflose“ Hamburger Elf nach Herzenslust austoben konnte, war Bayerns Triebfeder. Der ganze Frust der jüngsten Pleitenserie, die van Gaal zum Verhängnis geworden war, entlud sich in Robbens erstem Treffer, den er mit brachialer Gewalt erzielte. „Das ist das Einzige, was man in so einer Situation machen kann. Da muss man zu 200 Prozent alles geben auf dem Platz. Das war auch bei diesem Schuss der Fall“, sagte der Niederländer.
Robben half seinem Landsmann van Gaal. „Nach dem Tor waren wir ein bisschen befreit“, hob der Coach die Bedeutung des 1:0 hervor. „Es war ein wichtiger Tag für den Trainer, aber auch für die Mannschaft“, meinte Robben. „Das war eine sehr wichtige Reaktion“, sagte Ribéry, der das 4:0 erzielte (67.) und dem im offiziellen Spielbericht auch das Eigentor von HSV-Kapitän Heiko Westermann (85.) zuerkannt wurde. Zwischendurch hatte auch noch Thomas Müller getroffen (79.).
„Robben war fantastisch, Ribery großartig. Die Mannschaft hat sehr gut gespielt“, frohlockte van Gaal. Dieser Sieg war Gold wert für ihn, die Spieler, den Club. „Heute hat alles geklappt - und das brauchten wir auch“, schwärmte van Gaal. Den Leistungsschub wertete der 59-Jährige auch als ein Werk der Spieler für ihn. „Ich habe das Gefühl, dass die Mannschaft für mich gewonnen hat“, sagte der Coach. Jeder Profi spiele in erster Linie für den Verein, stellte Lahm nüchtern fest: „Jeder Spieler will in die Champions League.“
Auch die erleichterten Bosse verkniffen sich euphorische Lobeshymnen. „Es war wichtig, dass die Mannschaft eine Reaktion gezeigt hat. Trotzdem tun wir gut daran, jetzt ganz ruhig zu bleiben und nicht zu glauben, dass damit alles geregelt ist“, mahnte Karl-Heinz Rummenigge. Nun kommt Mailand. „Super, sechs Tore heute, das ist auch wichtig für Dienstag gegen Inter“, erklärte der beflügelt auftrumpfende Ribéry. Trotz des 1:0-Hinspielsieges warnte Robben vor dem zweiten Achtelfinalduell: „Es wird ein sehr gefährliches Spiel.“
Das Schützenfest, mit dem die Bayern den Rückstand auf den Tabellendritten Hannover auf zwei Punkte verringern konnten, verschafft der Vereinsführung auch mehr Ruhe bei der Trainersuche. „Wir werden versuchen, eine vernünftige und überzeugende Lösung im Sommer zu präsentieren“, sagte Sportdirektor Christian Nerlinger.
Der HSV musste postwendend handeln. Während van Gaal sogar vom ganz großen Abgang als Champions-League-Sieger träumen kann, wurde Veh gefeuert, Co-Trainer Michael Oenning übernimmt. Ein Europa-League-Platz scheint eine Utopie, der Tabellensiebte droht im selbstverschuldeten Chaos zu versinken. „Man darf verlieren - aber nicht so“, wetterte Sportchef Bastian Reinhardt. Veh hatte schon geahnt, „dass ich keine gute Position habe nach einem 0:6“.