Rüstiger Rentner: Gutendorf will in die Bundesliga

Koblenz (dpa) - Die lästigen Krücken hat Rudi Gutendorf schnell in die Ecke gestellt. „Ich kann schon wieder ohne Stock gehen“, berichtet der rüstige Fußball-Pensionär keine zwei Monate nach seinem bei einem Sturz erlittenen Oberschenkelhalsbruch lächelnd.

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Dem Tatendrang des Weltrekord-Trainers und Grenzgängers, der in seiner einzigartigen Karriere 55 Engagements in 32 Ländern hatte, hat das Missgeschick keinen Abbruch getan.

Im Gegenteil: Mit 88 Jahren reizt ihn noch einmal eine Aufgabe in der Bundesliga. „Ich könnte bei einem Club als Berater einsteigen“, verrät Gutendorf der Deutschen Presse-Agentur. „In Stuttgart hätte ich eine Möglichkeit. Ich würde das gerne machen.“

Der Fußball hat sein Leben geprägt und lässt ihn auch im hohen Alter nicht los. Die unverbindliche Anfrage der Schwaben, die seine Erfahrung gerne beim VfB nutzen würden, hat Gutendorf mit Stolz erfüllt. „Dass ich noch gefragt bin, ist eine Bestätigung für meine Arbeit“, stellt der Weltenbummler, unabhängig vom Zustandekommen, zufrieden fest.

Zu erzählen hat Gutendorf aus seinem bewegten Leben eine Menge. Seine Erlebnisse hat er gerade in einem Buch mit dem Titel „Leben!Leisten!Siegen!“ aufgeschrieben. Darin finden sich neben Anekdoten aus 70 Jahren im Fußball auch Ernährungstipps und Lebenshilfen.

Egal, was Gutendorf angepackt hat, er tat es stets mit Herzblut und vollem Engagement. Das rät er auch den Profis von Morgen. „Wenn ein junger Spieler heute Talent hat und zu Opfern bereit ist, kann er Millionär werden.“ Verwerflich findet er diese Entwicklung nicht, eher unglaublich. „Selbst ein Pele hat nur einen Teil dessen verdient, was viele Spieler heute einstreichen. Aber es ist einfach so, dass der Fußball die Menschen interessiert und fasziniert.“

An der weltweiten Begeisterung für das runde Leder hat er durchaus seinen Anteil. Denn Gutendorf wirkte erfolgreich auch in Ländern, welche die meisten Menschen nur aus dem Atlas kennen: Bermuda, Grenada, Antigua, Botswana, Neukaledonien, Tonga, Fidschi oder Samoa.

Und natürlich Ruanda, wo er das „Wunder von Kigali“ schuf. Fünf Jahre nach dem Blutrausch der Hutu-Milizen, dem 1994 rund 800 000 Tutsi zum Opfer fielen, vereinte Gutendorf Spieler aus den verfeindeten Stämmen in der Auswahl - eine diplomatische Meisterleitung.

Die Erfolge, unter anderem ein sensationelles 2:2 gegen Afrika-Meister Elfenbeinküste, ließen auch die Fans in den Stadien den Stammeszwist vorübergehend vergessen. „Noch heute besuchen mich der Staatspräsident und der Ministerpräsident, wenn sie in Deutschland sind“, erzählt Gutendorf stolz über sein integratives Wirken.

Kein Wunder, dass er das Engagement in dem mittlerweile befriedeten zentralafrikanischen Land als „Superleistung meines Trainerlebens“ bezeichnet. Zu der zählt er auch seine Aufholjagd mit Schalke 04 in der Bundesligasaison 1968/69, als „Riegel-Rudi“ die Königsblauen in der Rückrunde vom vorletzten Tabellenplatz noch auf Platz sieben und trotz der 1:2-Niederlage im DFB-Pokalfinale gegen Meister Bayern München in den Europacup führte.

Seinen Spitznamen hatte er sich einige Jahre zuvor beim Meidericher SV erworben, mit dem er in der Bundesliga-Premierensaison 1963/64 Vizemeister wurde. „Ich habe zwar eine primitive Taktik angewandt“, sagt er im Rückblick, „damit aber Erfolg gehabt.“ Wie an den meisten Stationen seines bewegten Lebens.