BVB-Einbruch Schalke bringt BVB-Coach Bosz nach irrem Derby in Not
Dortmund (dpa) - Die Gelbe Wand wurde zum Tribunal. Nach dem Derby-Desaster verweigerten selbst die treuen Borussia-Fans auf der Südtribüne ihrer Mannschaft die Gefolgschaft. Der unglaubliche Einbruch der Dortmunder beim 4:4 (4:0) gegen den Erzrivalen FC Schalke 04 verursachte unbändige Wut.
Mit einem gellenden Pfeifkonzert, das die Profis von Trainer Peter Bosz reumütig ertrugen, verschaffte der Anhang seinem Ärger Luft. Es flogen gar Fahnenstangen. „Die Pfiffe waren absolut berechtigt“, sagte Mittelfeldspieler Nuri Sahin mit dünner Stimme, „die Fans haben in den vergangenen Wochen die Füße still gehalten und uns immer unterstützt.“
Spätestens nach dem Derby für die Ewigkeit ist diese Geduld aufgebraucht und der Vereinsfrieden massiv gestört. Zum wiederholten Mal brach der BVB in der 2. Halbzeit ein und bestärkte damit all jene Kritiker, die seit Wochen an der Fitness der Profis und damit an der Arbeit von Bosz zweifeln. Nicht zuletzt deshalb dürften die Diskussion um die Zukunft des Fußball-Lehrers in den kommenden Tagen weiter zunehmen. Doch der Niederländer gab sich kämpferisch: „Ich werde nie aufgeben. Das habe ich schon als Profi nicht getan und werde es auch als Trainer nicht tun.“ Auf die Frage, ob er an eine Fortsetzung der Zusammenarbeit glaubt, antwortete er: „Ja, das denke ich.“
Das irre Remis verursachte mehr Frust als jede einzelne Niederlage der bisherigen Spielzeit. „Es war sehr leise in der Kabine, kaum jemand hat gesprochen“, verriet Sahin. Ähnlich wortkarg waren die Profis beim anschließenden Weg aus dem Stadion. Roman Weidenfeller war einer der Wenigen, der Stellung bezog. „Wir haben komplett den Faden verloren und nicht ansatzweise mehr wie in der ersten Halbzeit gespielt“, befand der Torhüter, „da sollte sich jeder einzelne Spieler hinterfragen, ob wir dann noch alles in die Partie reingelegt haben.“
Ähnlich wie die meisten Spieler zogen sich auch die Vereinbosse nach dem Spiel kommentarlos zurück - dem Vernehmen nach zu Beratungen. Dabei dürfte vor allem darüber gesprochen worden sein, ob es mit Bosz noch Sinn macht.
Der Trainer wirkte schwer getroffen. „Man fühlt im Körper nur Enttäuschung. Es ist schwer, das zu verkraften“, bekannte er, „das darf nicht passieren.“ All seine Hoffnungen auf ein befreiendes Erfolgserlebnis nach zuvor fünf sieglosen Bundesliga-Partien entpuppten sich erneut als Wunschdenken. „Klar ist, dass jetzt Diskussionen aufkommen und alles kritisiert wird“, sagte Sahin, „aber die Mannschaft steht hinter dem Trainer. In der ersten Halbzeit haben wir Schalke taktisch komplett zerlegt. Gewinnen wir das Spiel, wird nur über die taktische Meisterleistung unseres Trainers geredet.“
Doch der Spielverlauf brachte Bosz um diese positiven Schlagzeilen. Stattdessen war die Partie ein Spiegelbild der bisherigen Saison mit dem besten Start der Vereinsgeschichte und einer anschließenden abrupten Talfahrt. Nach einem beeindruckenden Sturmlauf und den Toren von Pierre-Emerick Aubameyang (12.), Benjamin Stambouli (18./Eigentor), Mario Götze (20.) und Raphael Guerreiro (25.) sah der BVB wie der sichere Sieger aus.
Begünstigt durch die Gelb-Rote Karte für Aubameyang in der 72. Minute gelang den Schalkern jedoch ein kleines Fußball-Wunder. Dank der Treffer durch Guido Burgstaller (61.), Amine Harit (65.), Daniel Caliguiri (86.) und Naldo (90.+4) schaffte sie es als erst zweites Team in der Bundesliga-Historie nach dem FC Bayern 1976 in Bochum, einen Vier-Tore-Rückstand aufzuholen. Clemens Tönnies feierte inmitten der königsblauen Fans auf der Nordtribüne die unglaubliche Wende: „Das war mein 50. Derby - und mein verrücktestes“, schwärmte der Aufsichtsratschef.
Auch nach dem Schlusspfiff schlugen die Emotionen hoch. Die wenig kluge Idee des Schalker Schlussmanns Ralf Fährmann, die erfolgreiche Aufholjagd ausgerechnet vor der mit wütenden BVB-Fans besetzten Südtribüne zu feiern, erzürnte Nuri Sahin über die Maßen. Es kam zu einer Rangelei des Dortmunder Mittelfeldspielers mit dem Schalker Keeper und einer anschließenden Rudelbildung. Als sich die Aufregung Minuten später gelegt hatte, zeigte sich Fährmann reumütig: „Ich habe mich von meinen Emotionen leiten lassen. Dafür muss ich mich entschuldigen.“