Schalke-Fans als Vorreiter gegen Ticket-Preisspirale
Berlin (dpa) - Die von den Schalke-Fans erzwungene Vertragskündigung mit dem Ticketportal viagogo hat der schwelenden Diskussion über den Weiterverkauf von Eintrittskarten neue Brisanz verliehen.
Wenige Wochen vor dem Saisonstart droht auch anderen Bundesligaclubs erneut eine intensive Auseinandersetzung mit den eigenen Anhängern. Im Zentrum stehen zwei für Fußball-Fans ökonomisch wie ethisch elementare Fragen. Was darf ein Ticket kosten? Und: Wer darf daran wie viel verdienen? Der FC Schalke 04 kann sich durch seinen ungewöhnlichen Schritt jedenfalls der Sympathien seiner Anhänger gewiss sein.
„Sie haben wirklich verstanden. Und nicht nur das: Sie haben auch gehandelt. Für uns und unseren Verein und auch für ganz Fußball-Deutschland. Ihnen ist nicht nur unser Respekt sicher, sondern auch die Liga weite Beachtung und Anerkennung“, hieß es in einer Online-Erklärung der Gruppierung viaNogo an Schalkes Marketingvorstand Alexander Jobst.
Konflikte von Vereinen mit den Fans durch Kooperationen mit Online-Plattformen sind nicht neu. Im Nachklang des Gelsenkirchener Wirbels könnten sie nun erneut an Schärfe gewinnen und den Bundesligaclubs zum Saisonstart auch Proteste in Form von Plakaten oder Boykotten auf den Tribünen bescheren. „Es ist selbstverständlich so, dass das Thema durch die Vorkommnisse auf Schalke Rückenwind bekommt“, sagte der Sprecher der Koordinationsstelle Fanprojekte (KOS), Volker Goll.
Die Deutsche Fußball-Liga muss im Interessenkonflikt der Vereine einen sportpolitischen Spagat machen und hält sich mit Äußerungen zurück. Grundsätzlich gilt für den Dachverband: „Fußball muss bezahlbar bleiben“, sagte DFL-Geschäftsführer Andreas Rettig unabhängig von den Vorkommnissen auf Schalke.
Die KOS reagierte erfreut auf die Schalker Entscheidung. „Natürlich begrüßen wir es, wenn auf die Expertise von engagierten Fans eingegangen und auf diese gehört wird“, sagte Goll. Er erneuerte die Idee, anstelle professioneller Plattformen „frei zugängliche Ticketbörsen“ in den Clubs einzurichten, auf denen Anhänger ihre Eintrittskarten zu den regulären Preisen anbieten können, falls sie ihre Tickets nicht selbst nutzen können - wie es Mainz 05 bereits praktiziert.
Schon im Herbst 2012 war ein Vertrag mit viagogo Reizthema auf der Mitgliederversammlung des Hamburger SV. Auch Anhänger von Hertha BSC wehrten sich intensiv gegen den aus ihrer Sicht legalisierten Schwarzmarkt. „Es kann schon als paradox bezeichnet werden, wie Vereine ihre Meinung und ihr Handeln ändern, wenn sie am Millionengeschäft Schwarzmarkt einfach beteiligt werden. Nun wird der Schwarzmarkt als sogenannter 'Zweitmarkt' von den Offiziellen der Vereine bezeichnet und sogar aktiv gefördert“, kritisierten die Berliner „Harlekins“ schon im April.
Tatsächlich wirkt das System zumindest befremdlich. Gegen eine satte Gebühr - im Schalker Fall 3,6 Millionen Euro - dürfen Unternehmen wie viagogo Eintrittskarten der Clubs als Zwischenhändler weiterveräußern. Dies geschieht auf Basis von frei aushandelbaren Preisen und gegen eine Gebühr an die Plattform für Käufer wie Verkäufer von bis zu 25 Prozent.
Diese Bedingungen stoßen nicht bei allen Vereinen auf Interesse. Borussia Mönchengladbach lehnte eine Zusammenarbeit mit viagogo trotz eines angeblichen finanziell reizvollen Angebots ab. „Wenn ein Spiel ausverkauft ist, dann ist es ausverkauft. Dann gibt es nicht nochmal ein paar hundert Tickets auf irgendeiner Internetplattform zu völlig überzogenen Preisen, mit dem Ziel, dass sich Dritte auf Kosten der Fans bereichern“, sagte Borussias Geschäftsführer Stephan Schippers im März. Noch klarer ist die Ablehnung beim SC Freiburg. „Für uns ist das ein im Netz organisierter Schwarzhandel, den wir nicht unterstützen können“, sagte SC-Sprecher Rudi Raschke.
Bei anderen Clubs wird die Situation weniger brisant eingeschätzt. „Es gibt bei uns keine Tendenz, Hals über Kopf aus einem Vertrag auszusteigen“, sagte Geschäftsführer Alexander Waldi von 1899 Hoffenheim am Mittwoch. Auch der VfB Stuttgart verweist auf einen bestehenden Vertrag mit viagogo und stuft die Lage nicht als prekär ein. Da die meisten Spiele ohnehin nicht ausverkauft seien, fielen die Angebote via Plattform nicht ins Gewicht.
Im Gegenteil: „Wir bieten unseren Dauerkarteninhabern damit eine interessante und vor allem legale Plattform mit der Möglichkeit, Eintrittskarten nicht verfallen zu lassen. Damit wollen wir ebenso den Schwarzmarkt eindämmen, die Preise dort niedrig halten und die Fans vor Betrug schützen“, sagte der damalige VfB-Präsident Gerd Mäuser beim Vertragsabschluss mit viagogo im Dezember 2012. Viele Fans aber quittierten diese Haltung mit Protesten im Stadion.
Viagogo hatte am Dienstag „sehr überrascht“ auf die Kündigung durch den FC Schalke reagiert. „Wir haben alle Aspekte unseres Vertrags erfüllt“, hieß es in einer Erklärung. Unabhängig von einer Kooperation mit den Clubs wolle man Tickets anbieten. „Die gute Nachricht für die Käufer und Verkäufer von Tickets ist, dass wir nicht auf eine Partnerschaft mit den Fußballclubs angewiesen sind, um einen transparenten Marktplatz anzubieten. Wir sind in Deutschland weiter auf Wachstumskurs und freuen uns auf eine spannende Zukunft“, betonte das Unternehmen seine Sicht.
Nach der Vertragskündigung des FC Schalke 04 könnten aus Expertensicht weitere Bundesligisten ihre Partnerschaften mit dem Tickethändler viagogo auf den Prüfstand stellen. „Angesichts der anhaltenden Fanproteste und Berichterstattung ist dies gut möglich“, sagte der Berliner Rechtsanwalt Kai Hermes, ein Experte im Bereich Ticketing und Ticket-Zweitmarkt.
Am Dienstag hatte Schalke die mit Wirkung zum 1. Juli geschlossene Vereinbarung gekündigt, weil das Partnerunternehmen „vertragliche Regelungen trotz mehrfacher Aufforderungen von Beginn an nicht eingehalten“ habe. Vorausgegangen waren massive Proteste der Anhänger gegen den Vertrag bei der Mitgliederversammlung am 29. Juni.