Schalke macht auf Harmonie und schließt Medien aus
Gelsenkirchen (dpa) - Erst rief Clemens Tönnies den FC Schalke 04 zu Harmonie und Geschlossenheit auf, dann sorgten die Mitglieder mit dem Ausschluss der Medien von der Jahreshauptversammlung für einen Eklat.
Beim Fußball-Bundesligisten ging es mal wieder turbulent zu. Am Ende wurden Vorstand und Aufsichtsrat entlastet, die Weichen auf Versöhnung gestellt.
„Das Schlimmste war: Es ging in der vergangenen Saison ein Riss durch den Verein. Wir standen vor der tiefen Spaltung, die fast lebensbedrohlich gewesen wäre. Das darf nie wieder passieren“, sagte der Aufsichtsratsvorsitzende Tönnies. Er schwor die Mitglieder und Fans in der Emscher-Lippe-Halle wieder auf eine gemeinsame Linie ein und rechnete mit Ex-Trainer Felix Magath ab. „Wir müssen wieder zusammenwachsen.“
Eine kritische Begleitung und Transparenz war aber unerwünscht. Da nutzte auch ein halbherziger Appell von Tönnies und Vorstand Peter Peters nichts. Einem Antrag auf Ausschluss der Medien nahmen die 2944 stimmberechtigten Mitglieder mehrheitlich an. So wurden die akkreditierten Pressevertreter eineinhalb Stunden nach Beginn der Veranstaltung wieder aus der Halle verwiesen. Das verwunderte umso mehr, da keine brisanten Entscheidungen anstanden. So blieb den verbannten Journalisten nur die Möglichkeit, via Schalke-Homepage zu berichten.
„Das ist Demokratie“, kommentierte Tönnies das skurrile Votum. Zuvor hatte der Fleischfabrikant das „miserable“ Abschneiden in der Bundesliga (Platz 14) kritisiert. Auf der anderen Seite hätten aber auch große Erfolge wie der Einzug ins Champions-League-Halbfinale und der Gewinn des DFB-Pokals gestanden. Der „Pott“ wurde stolz präsentiert. „Es ist euer Pokal“, sagte Horst Heldt, dessen Zukunftskonzept großen Anklang fand.
Den größten Beifall bekam der Manager, als er die Vertragsverlängerung mit Talent Julian Draxler bis 2016 verkündete. Heldt will verstärkt auf die Förderung der Talente setzen. Die zweite Mannschaft dürfe nicht länger „Entsorgungspark der Lizenzspielerabteilung“ sein.
Bei der Kader- und Kostenreduzierung ist Heldt schon ein Stück vorangekommen. Neben Torhüter Manuel Neuer (Bayern München) stehen Ali Karimi, Angelos Charisteas (beide vereinslos), Danilo Avelar (Karpaty Lwiw), Vasilieios Pliatsikas (MSV Duisburg), Ciprian Deac (Rapid Bukarest), Lukas Schmitz (Werder Bremen) und Christian Pander (Hannover 96) als Abgänge fest. Im Gegenzug wurden Christian Fuchs (FSV Mainz), Marco Höger (Alemannia Aachen) und Ralf Fährmann (Eintracht Frankfurt) verpflichtet.
Heldt betonte, man dürfe nicht „ewig der Schale nachjagen oder gar versuchen, eine Meisterschaft auf Pump zu finanzieren“. Oberstes Gebot sei der Abbau der Verbindlichkeiten, sonst verliere das Team an Substanz. Zudem habe der Club ein Stück Identifikation verloren. „Das darf uns nie wieder passieren“, mahnte Heldt. Nicht zuletzt deshalb kündigte Tönnies an, dass man sich ein „Leitbild“ zulegt. „Da haben wir gepennt, denn ein Verein mit einer solchen Attraktivität und Tradition benötigt eines. Es muss sein, dass der FC Schalke 04 auch in hundert Jahren noch der FC Schalke 04 sein wird.“
Zu denken gab den Mitgliedern die vor Wochen veröffentlichte Bilanz für 2010. Trotz des Rekordumsatzes von 170 Millionen Euro (2009: 119) wies der Club nur einen Gewinn von 1,2 Millionen Euro aus. Die Vereinsverbindlichkeiten stiegen von 135 auf 155 Millionen Euro. Laut Finanzvorstand Peters kein Grund zur Sorge, weil die hohen Einnahmen durch die „Königsklasse“ erst in das Geschäftsjahr 2011 fallen. „Auf diesen Kontoauszug hat man gerne geschaut.“ Die unter Magath von 63 auf 78 Millionen Euro gewachsenen Personalkosten sollen reduziert werden.
Künftig besteht der Vorstand wieder aus drei Personen. Neben Peters und Heldt gehört ab 1. September auch Alexander Jobst dem Gremium an. Der zuvor unter anderem für Real Madrid und die FIFA tätige Sport-Ökonom übernimmt die Bereiche Marketing und Merchandising. Der alte Vorstand sowie der Aufsichtsrat wurden trotz kritischer Stimmen mit großer Mehrheit entlastet. Jens Buchta wurde für drei Jahre in den Aufsichtsrat wiedergewählt, neu hinzu kommt der ehemalige Mannschaftsarzt Armin Langhorst. Ein Vertreter von Hauptsponsor Gazprom war bereits kooptiert worden.
Emotional war es gleich zu Beginn, als neben dem ehemaligen Meisterspieler Otto Tibulsky auch der eigens aus Brasilien angereiste Marcelo Bordon in die „Ehrenkabine“ aufgenommen wurde. Der Ex-Profi, der nach seinem Intermezzo in Katar seine Karriere beendete, nahm die Auszeichnung zu Tränen gerührt entgegen: „Ich bin schon groß, aber ich bin nur am Weinen. Ich habe zwar nur wenige Titel geholt, aber der beste Titel ist, einer von dieser Familie hier zu sein.“