Schneider verblüfft Löw - „Dreckiges 1:0“ und Weltklasse
Berlin (dpa) - Da staunte selbst der Bundestrainer bei seinem Hauptstadt-Besuch: Joachim Löws ehemaliger Club VfB Stuttgart ist nach dem zweiten Sieg seit der Trennung von Bruno Labbadia erst einmal aus dem Schneider.
„Das war ein richtig guter Fight unserer Mannschaft. Ich würde es als dreckiges 1:0 durchgehen lassen“, kommentierte Labbadia-Nachfolger Thomas Schneider seinen zweiten Sieg im zweiten Ligaspiel als Chefcoach der Schwaben.
„Der Sieg im ersten Spiel war existenziell wichtig. Dieser war noch mal wichtiger, weil wir den Anschluss ans Mittelfeld geschafft haben“, erklärte der neue VfB-Trainer, dem die große Portion Glück vor 46 624 Fans im Olympiastadion aber auch nicht entgangen war. „Wir wollen auch irgendwann dahin kommen, dass wir solche Spiele fußballerisch besser lösen können“, betonte Schneider, der einst als Spieler unter VfB-Trainer Löw seine beste Zeit erlebt hatte.
Den zweiten Sieg in 22 Jahren bei Hertha verdankten die Stuttgarter vor allem einem überragenden Sven Ulreich, der vor den Augen von Löw eine „Weltklasse-Leistung“ (Schneider) ablieferte. „Es ist bitter, wenn man so eine Chancen-Plus hat, in vier, fünf Situationen den Ausgleich machen kann. Im Fußball muss man eben Tore machen, um zu gewinnen“, brachte Hertha-Coach Jos Luhukay den Hauptmangel des Aufsteigers am 5. Bundesliga-Spieltag auf den Punkt. „Fußball ist Ergebnissport. Wenn das nicht stimmt, ist alles andere egal“, ergänzte Hertha-Kapitän Fabian Lustenberger.
Hertha war wie schon bei den Heimauftritten gegen Frankfurt (6:1) und den HSV (1:0) das aktivere und überlegene Team. Doch dieses Mal gelang gegen die gut organisierte Defensive der Stuttgarter einfach kein Treffer. 59 Prozent Ballbesitz, 19:6 Torschüsse und 61 Prozent gewonnene Zweikämpfe sagen viel über die Partie. „Normalerweise muss man da mehr herausholen können“, bemerkte Luhukay, wollte aber seinem Team keine Vorwürfe machen. „Wir sind Aufsteiger, aber gehen trotzdem mit vollen Angriffsbemühungen ins Spiel“, betonte der Niederländer. Nur wenn sich sein Team keine Chancen herausspielen würde, gäbe es Grund zum Frust.
„Momentan geht es nur um das Ergebnis“, erklärte VfB-Kapitän Christian Gentner, der unter Löw schon fünfmal für Deutschland gespielt hat, wenn auch vor längerer Zeit. Gegen Hertha köpfte der 28-Jährige zu seinem ersten Saisontor und dem zweiten VfB-Sieg nacheinander ein. Chefcoach Schneider, mit roter Trainingshose und rotem VfB-Poloshirt, musste aber auch danach weiter zittern.
„Hertha hat nach dem 1:0 richtig Druck gemacht, und wir hatten einen überragenden Torhüter in unseren Reihen. Die ganze Mannschaft hat sehr gut gegen den Ball gearbeitet, alle sind ans Limit gegangen“, lobte er sein Team. Fast wäre Schneider übrigens auch Nationalspieler geworden. Doch trotz zwei Einladungen des damaligen Bundestrainers Berti Vogts blieb Schneider ohne Länderspiel-Einsatz.
Dass Herthas Heimserie nach 16 Monaten ohne Pleite nun gerissen ist, wird in Berlin nicht als Katastrophe eingestuft. „Die Heimniederlage wäre ohnehin irgendwann gekommen“, meinte der Schweizer Lustenberger: „Dass sie jetzt nach einem überlegenen Spiel gekommen ist, ist natürlich ein bisschen bitter. Aber wir lassen uns deshalb nicht hängen.“ Die Berliner haben weiter sieben Punkte auf dem Konto, die Stuttgarter jetzt sechs - dank Jogi Löws Ex-Spieler.