Schwegler: „Wissen, was die Stunde geschlagen hat“

Zuzenhausen (dpa) - Ein deutlich sichtbarer Bluterguss unter dem linken Auge ziert das Gesicht von Pirmin Schwegler. Silvesterschlägerei? Der Kapitän von 1899 Hoffenheim muss lächeln.

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Der besonnene Schweizer wäre wohl der letzte Fußballprofi im Kader des Bundesliga-Schlusslichts, dem so etwas passieren würde. Die Verletzung hatte sich in der Winterpause entzündet und ist eine Erinnerung an die verkorkste Hinrunde der Kraichgauer. „Ich habe es als Kapitän der Mannschaft nicht geschafft, der Mannschaft Stabilität zu geben“, sagt Schwegler selbstkritisch. Mit „neuem Elan und neuer Kraft“ wollen er und sein Team nun den Klassenverbleib schaffen.

Abstiegskampf - das kennt der 28-jährige Mittelfeldspieler nur zu gut aus seiner Zeit bei Eintracht Frankfurt. Aber mit der Situation nun in Hoffenheim könne man das nicht vergleichen. „Wir waren damals sogar auf Europa-League-Kurs und sind in der Rückrunde abgestürzt“, erinnert sich Schwegler an 2011. „Jetzt können wir es definitiv aufhalten. Wir wissen, was die Stunde geschlagen hat.“

In Frankfurt habe er schon Erfahrungen im Abstiegskampf gesammelt und viel durchgemacht. „Da habe ich aber viel rausziehen können und versuche nun, diese Erfahrungen weiterzugeben.“ Schwegler bezeichnet sich als „eher ruhigen Typ“, er ist in der Mannschaft wie schon zu Eintracht-Zeiten hoch angesehen und auch bei den Journalisten durch seine reflektierende Art ein beliebter Gesprächspartner.

Phrasendreschen ist sein Ding nicht, auch wenn er vor dem am Freitag in Rustenburg/Südafrika gestarteten Trainingslager sagte: „Jetzt gilt's nach vorne zu schauen, ein Neustart sozusagen. Wir wissen alle, dass wir es besser können. Ich bin sehr optimistisch.“

Viele Gedanken habe er sich in der vergangenen Monaten gemacht, erklärte Schwegler in seinem sympathische Schwyzerdütsch. Er habe sich sehr kritisch mit seiner Leistung und Rolle auseinandergesetzt: „Bei mir ist es nach Niederlagen nicht so, dass nach dem Duschen der Frust weggewaschen ist.“ Aber zum Glück hat Trainer Huub Stevens in der Winterpause den Profis tägliche Hausaufgaben mit auf den Weg gegeben - die man nur in Turnschuhen abarbeiten konnte. „Wenn man so lange laufen muss, dann kann man den Kopf definitiv frei machen“, meinte Schwegler - und lachte.

Auch der Schweizer hatte in der Vorrunde wie einige Leistungsträger so seine Probleme, wirkte längst nicht so spritzig und präsent wie einst in Frankfurt oder zu Beginn seiner ersten Spielzeit im Kraichgau. „2015 war sportlich kein gutes Jahr. Im Gegenteil: Es war ein sehr, sehr schlechtes“, räumte Schwegler ein. In der Hinrunde hat Hoffenheim nur ein Heimspiel gewonnen - „das sagt schon alles“.

Das erste Testspiel - 1:1 beim Drittligisten SG Sonnenhof Großaspach - wäre auch gleich fast in die Binsen gegangen, wenn der Spielführer nicht in letzter Minute noch den Ausgleich gemacht hätte. Schwegler kann sich in den kommenden Monaten ganz auf den Abstiegskampf mit der TSG konzentrieren, Hoffnungen auf eine EM-Teilnahme mit dem Schweizer Nationalteam macht er sich keine mehr: „Das Thema ist für mich gegessen.“ Nach nur 14 Spielen hatte er 2015 seinen Rücktritt erklärt. Er habe über eine längere Zeit eine „schwierige Phase“ in der „Nati“ erlebt - „und ich habe mich sehr runterziehen lassen. Das hat mir nicht gut getan“, erklärte er im TSG-Magazin „Heimspiel“.

Schwegler hat ohnehin noch ein paar andere Dinge im Kopf als Fußball. Er ist an der Berner Stiftung für krebskranke Kinder und Jugendliche beteiligt. Ein solches Engagement ist nicht ungewöhnlich für einen Profi, aber: Schwegler selbst hatte als Kind Leukämie. „Es gibt einiges zu tun. Das wird in meinem Leben nie mehr wegbrechen und ich werde versuchen, es nach meiner Fußball-Karriere noch zu intensivieren.“