Bayer Leverkusen Sein Scheitern in Dortmund motiviert Bosz für Leverkusen

Leverkusen · Peter Bosz ist am Freitag als neuer Trainer bei Bayer Leverkusen vorgestellt worden. Nach seinem gescheitertem Versuch in Dortmund steckt er in einer Schublade. Bei Bayer 04 Leverkusen will er nun hinausklettern. Was ist der Plan?

Peter Bosz ist neuer Trainer in Leverkusen.

Foto: dpa/Rolf Vennenbernd

Am Ende hatte ihm beim Fußball-Erstligisten Borussia Dortmund auch die „Fünf-Sekunden-Regel“ nicht mehr geholfen. In den Niederlanden ist sie nach glorreichen Zeiten bei Ajax Amsterdam legendär und mit dem dort hoch angesehenen Trainer Peter Bosz verbunden. Die Regel besagt, dass eine Mannschaft den Ball spätestens nach fünf Sekunden zurückerobert haben muss, nachdem sie ihn verloren hatte. „In Deutschland nennt man das Gegenpressing“, sagte Peter Bosz gestern, als er bei Bayer Leverkusen als Nachfolger des entlassenen Trainers Heiko Herrlich vorgestellt wurde und angesichts dieser niederländischen Journalistenfrage in lauter fragende Gesichter blickte. Was einerseits besagt, dass im Fußball nichts so heiß gegessen wie gekocht wird, und andererseits zeigt, wie gerne Journalisten Trainer an ein, zwei markanten Slogans in ihre Schubladen festnageln. Rudi Völler, der nach dieser ominösen Regel von Bosz befragt wurde, löste die Unkenntnis mit Heimatkunde heiter auf: „Wenn du von Frankfurt nach Offenbach kommst, hast du in fünf Sekunden schon zwei Bier getrunken.“

Peter Bosz, auch das ist sicher, steckt in einer Schublade. Er hat ein halbes Jahr versucht, in Dortmund ein Spitzentrainer zu werden, und dann musste er ziemlich zermürbt gehen. „Wir haben aus den ersten sieben Bundesligaspielen 19 Punkte geholt und dann aus den nächsten acht nur noch drei Punkte“, sagte seinerzeit BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke, und das ist samt Champions-League-Aus im Dortmunder Anspruchsland allemal eine Entlassung wert. Aus Bosz, dem Zaubertrainer für ein stürmisches Feinfuß-Ensemble, war ein Unbelehrbarer geworden, der kein Maß für seinen heiteren Offensivfußball und nie Ausgewogenheit für das ganze, große Fußballfeld gefunden hatte. Es hagelte Einschläge, am Ende wurde der Niederländer quasi nicht mehr ernst genommen. Schublade: Talentiert, aber unbelehrbar naiv.

13 Monate später sitzt Bosz gestern neben Rudi Völler und Simon Rolfes, Sportgeschäftsührer und Sportdirektor bei Bayer Leverkusen, und ist Hoffnungsträger des Clubs, dem seit fast einem Jahrzehnt der Ruf vorauseilt, seinen zumeist hoch qualifizierten Spielern eine Wohlfühloase zu bieten, in der Leistung immer möglich, aber nicht immer nötig sei. Jetzt ist es an Bosz, diesbezüglich einige Pflöcke einzuschlagen. Der Anspruch an ihn: das Team zu Konstanz treiben, attraktiv spielen lassen, junge, gefeierte Spieler wie Julian Brandt, Kai Havertz oder Donovan Bailey besser zu machen, Erfolg zu haben und Werte zu steigern. Viel für einen, der noch in dieser elendigen Schublade steckt, aber das ist ja auch eine Chance, und Bosz will da jetzt raus: „Ich wollte ehrlich gesagt zurück in die Bundesliga. Ich war noch nicht fertig. Die Zeit war viel zu kurz. Die Menschen haben noch nicht den richtigen Trainer Peter Bosz gesehen“, sagt der Mann mit Glatze und Dreitagebart und demonstriert, sein halbes Jahr in Dortmund aufgearbeitet zu haben: „Ich hätte einiges anders machen müssen.“ Was genau? Darüber wollte Bosz nicht mehr sprechen. Gentleman. Schlaue Trainer verbrennen keine alten Zeiten, weil man sich in diesem Geschäft immer wieder sieht.

Aber: Die Leverkusener Verantwortlichen haben die Hoffnung auf einen notwendigen Lernprozess des 55-Jährigen. „Die Fehler, die ich in Dortmund gemacht habe, sagt Bosz, „muss ich hier in Leverkusen nicht mehr machen.“ Und er erzählt, dass er die Leverkusener Elf schon lange beobachtet. Eben seit er fast schon einmal Trainer unter dem Bayer-Kreuz geworden wäre, aber dann Dortmund das bessere Angebot machte. Obwohl es dann ja nicht besser war, abseits des Kontos.

Ziele? „Wenn man alle Spiele gewinnt, kann es auch noch mehr werden als die Europa League“, sagt Bosz, und um ihn herum zucken alle, man weiß ja wie das endet, die Schlagzeilen vom „größenwahnsinnigen Herr Bosz“ sind schnell geschrieben, und deshalb legt er fix nach: „Aber das ist unmöglich. Wir müssen hart arbeiten.“

Leverkusen ist zur Winterpause Tabellenneunter, hat in der Europa League die Vorrunde überstanden und steht auch noch im DFB-Pokal, Herrlich hatte die letzten vier von fünf Spielen gewonnen und musste trotzdem gehen. Von seinem 4-3-3-System will Bosz nicht abrücken, man könne das, sagt er, aber auf sehr viele verschiedene Weisen spielen. Wichtig sei „Kompaktheit und eine gut organisierte Verteidigung“, sagt Bosz, daran hatte es in Dortmund offensichtlich gemangelt. Sein Vertrag läuft bis zum Sommer 2020, in zwei Wochen muss er erste Ergebnisse liefern. Zum Geburtstag der Verwandten wird er dann nicht mehr kommen können, im vergangenen Jahr der Arbeitslosigkeit hatten die sich über Boszs vermehrte Anwesenheit durchaus gefreut. Aber das wird jetzt erst wieder etwas, wenn das mit der Fünf-Sekunden-Regel auch in Leverkusen nicht funktioniert.

(kup)