Spektakuläre Meisterkür des BVB (mit Video)

Dortmund (dpa) - Das Gipfeldrama mit schwarz-gelbem Happy End versetzte Jürgen Klopp in Hochgefühle. Berauscht, gerührt und glücklich stand der Trainer von Borussia Dortmund am Ende einer denkwürdigen Partie vor der bebenden Südtribüne des Stadions und formte mit den Händen ein Herz Richtung Fans.

„Wir sind alle ein bisschen verknallt in diesen Verein, das muss man ab und zu mal herauslassen“, kommentierte er seine ungewöhnliche Geste. Ähnlich euphorisch reagierte Ur-Borusse Kevin Großkreutz auf das 1:0 (0:0) über den FC Bayern, das als vermeintliche Meisterkür des Revierclubs gefeiert wurde: „Heute Nacht sind wir alle voller Adrenalin.“

Während die Münchner Vorstandsriege um Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge minutenlang wie versteinert auf ihren Plätzen verharrte, verwandelte sich die Dortmunder Fußball-Oper in ein Tollhaus. Nach einer spektakulären Schlussphase mit einem von BVB-Torhüter Roman Weidenfeller parierten Elfmeter (86.), einer weiteren Großchance des Strafstoß-Fehlschützen Arjen Robben und zwei Lattenschüssen hüben wie drüben entlud sich die Anspannung der Zuschauer in infernalisch lautem Jubel. Konsterniert trauerte Bayern-Keeper Manuel Neuer der vertanen Chance auf eine Punkteteilung nach: „Das war schon fast eine Tragödie. Es war der schlimmste Moment, das 0:1 zu kassieren.“

Gerade als sich die zunächst unterlegenen Bayern anschickten, die Kontrolle über den vor allem in der ersten Halbzeit bärenstarken BVB zu gewinnen, verlängerte Robert Lewandowski (77.) einen Schuss von Großkreutz mit der Hacke ins Tor. Der 20. Saisontreffer des Polen könnte das Kopf-an-Kopf-Rennen der beiden Branchenführer zugunsten der Dortmunder entschieden haben.

Zwar verzichtete der Münchner Vorstandschef Rummenigge auf eine Gratulation zum Titel, gab aber kleinlaut bei: „Ich schätze, dass der BVB zu 99 Prozent deutscher Meister ist.“ Selbst die BVB-Profis legten ihre seit Wochen kultivierte verbale Zurückhaltung ein wenig ab. Manndecker Mats Hummels bewies dabei den größten Mut: „Sechs Punkte Vorsprung vier Spieltage vor Saisonschluss sollte man nicht mehr verspielen.“ Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke klang dagegen verhaltener: „Noch nehmen wir keine Glückwünsche an. Dafür ist es viel zu früh. Wir sind aber in der Pole-Position.“

Trotz des schweren Restprogramms der Borussia, die an den kommenden beiden Spieltagen beim Dritten Schalke und gegen den Vierten Mönchengladbach antreten muss, spricht viel für eine erfolgreiche Titelverteidigung. Noch nie verspielte ein Team seit Einführung der Drei-Punkte-Regel ein solches Polster. Darüber hinaus egalisierte der BVB mit 24 Spielen in Serie ohne Niederlage binnen einer Saison den Bundesliga-Rekord von Bayer Leverkusen aus der Spielzeit 2009/10.

Im prestigeträchtigen Derby am Samstag beim Erzrivalen aus Gelsenkirchen steht nach Einschätzung von Hummels der nächste Kraftakt bevor. „Das wird für uns ähnlich wie heute für die Bayern. Der Gegner wird uns hassen, und das ganze Stadion wird gegen uns sein - das macht richtig Spaß, das sind die schönsten Spiele“, sagte der ehemalige Münchner schmunzelnd.

Arjen Robben schob dagegen Frust. Der Niederländer wurde zur tragischen Figur des Giganten-Gipfels. Sowohl beim Elfmeter als auch bei einem Schuss aus vier Metern über das leere Tor Sekunden vor dem Ende zeigte der routinierte Vize-Weltmeister Nerven. Zudem hob er beim 1:0 von Lewandowski die von der Bayern-Abwehr initiierte Abseitsfalle auf. Die anschließende Kritik des Sky-Experten Franz Beckenbauer, wonach der gefoulte Robben besser nicht zum Elfmeter angetreten wäre, ließ Bayern-Coach Jupp Heynckes kalt: „Im Fußball passieren solche Dinge. Er ist ein sicherer Elftmeterschütze, ich mache ihm keinen Vorwurf.“

Zu allem Überfluss musste Robben auch noch die Vorwürfe von Weidenfeller ertragen. Im Gegensatz zu Schiedsrichter Knut Kircher und den meisten Experten wertete der von den BVB-Fans als Held des Abends gefeierte Keeper seine ungestüme und unnötige Attacke nicht als elfmeterreif und bezichtigte den Münchner Angreifer der Schauspielerei: „Die Fairness hat gesiegt. Ich habe ihn nicht berührt, und er hebt, wie er es immer gern macht, mit beiden Füßen ab.“

Wie tief bei den Bayern der Frust über die Niederlage saß, ließ Bastian Schweinsteiger erkennen. Nach nur kurzem Kabinenaufenthalt flüchtete der erst in der 61. Minute eingewechselte Nationalspieler wortlos in den Mannschaftsbus. Christian Nerlinger wirkte auch am Tag danach noch sichtlich angeschlagen. „Das war eine kurze Nacht. Ich habe nicht in den Schlaf gefunden“, räumte der Sportdirektor ein.

Trotz der ersten Niederlage nach zuvor neun siegreichen Pflichtspielen befürchtet jedoch kein Bayern-Profi negative Auswirkungen auf das Champions-League-Halbfinale am kommenden Dienstag gegen Real Madrid. „Wir haben es in der Vergangenheit immer gut hinbekommen, Wettkampf für Wettkampf anzugehen“, erklärte Bayern-Kapitän Philipp Lahm.