Gisdol hat keine Karten mehr in Hoffenheim
Sinsheim (dpa) - Bruno Labbadia legte tröstend den Arm um Markus Gisdol und bei der Verabschiedung hob er beide Fäuste mit gedrückten Daumen: „Viel Glück!“.
Seinem Trainer-Kollegen von 1899 Hoffenheim wird dies wenig nutzen: Nach dem bitteren 0:1 (0:0) gegen den Hamburger SV steht der 46-Jährige vor dem Aus beim Tabellenvorletzten der Fußball-Bundesliga. Zwar äußerte sich Mäzen Dietmar Hopp wie gewohnt nicht, doch Sportchef Alexander Rosen machte schon mal klar, dass er seine Zukunft nicht an die seines Weggefährten gebunden sieht.
Dennoch leitete Gisdol am Tag nach der Niederlage bei 1899 Hoffenheim wie gewohnt in Zuzenhausen das Training. Von der Vereinsführung gab es keine Stellungnahme, ob es mit dem Chefcoach weitergeht.
Direkt nach dem Schlusspfiff und nur wenige Minuten nach dem entscheidenden Tor von Pierre-Michel Lasogga (88.) ging Gisdol aufrecht und ruhigen Schrittes in die Kabine. Spätestens nachdem vergangene Woche Hopp das Trio mit Nationalspieler Kevin Volland, Kapitän Pirmin Schwegler und Eugen Polanski zu einem Krisentreffen geladen hatte - nicht Gisdol und Rosen -, da wusste der Chefcoach, dass der mächtige Gesellschafter und Milliardär nicht mehr viel Vertrauen in ihn hat.
Ob er noch Gelegenheit haben werde, in der Mannschaft was zu ändern? „Da bin ich der falsche Ansprechpartner“, antwortete Gisdol in der Pressekonferenz. Einen „Rucksack“ hätten seine Profis mit sich herumgetragen: „Die Ereignisse diese Woche haben sicher nicht dazubeigetragen, der Mannschaft mehr Sicherheit zu geben“, sagte er mit ruhiger Stimme.
Im April 2013 hatten Gisdol und Rosen ihr Amt angetreten und die Kraichgauer vor dem Abstieg gerettet. Sie galten lange als Versprechen für eine kontinuierliche Arbeit nach den wilden Jahren seit Ralf Rangnicks Abgang mit so einigen Trainer- und Managerwechseln. Doch praktisch schon das ganze Jahr kam Gisdol kaum voran, die Teilnahme an der Europa League wurde vergangene Saison unnötig verspielt.
Zwischen Hopp und Gisdol herrschte spätestens, seit der Chefcoach zu Vertragsgesprächen erstmal seinen Berater vorschickte, kein gutes Verhältnis. Im Gegensatz zu anderen Verantwortlichen im Verein hatten Gisdol und Rosen ihre Linie durchgezogen, ohne groß um Sympathien bei dem Milliardär zu werben. Dennoch war im Frühjahr der Vertrag des Chefcoaches vorzeitig bis 2018 verlängert worden.
Die wichtigsten Spieler hatten bei Hopp noch einmal um Vertrauen für ihren Fußballlehrer geworben und angekündigt, dass die Mannschaft kein Alibi brauche und den Karren selbst aus dem Dreck ziehen wolle. „Das Bemühen, der Wille, die Einsatzbereitschaft waren heute keinem abzusprechen. Aber man hat gemerkt, dass die Spieler fest waren.“
Schwegler stand - symbolisch dafür - nach der Partie vor den Mikrofonen, völlig groggy, mit zwei Pflastern im Gesicht. „Jetzt nach dem Spiel kann man sagen: Wir haben wieder versagt“, sagte der Schweizer. „Wir sind leer.“
Das Team braucht nach nur sechs Punkten in den ersten zehn Spielen offensichtlich neue Impulse. Als möglicher Gisdol-Nachfolger ist Tayfun Korkut im Gespräch. Der 41-Jährige trainierte von 2009 bis 2010 die B-Junioren in Hoffenheim und war als Erstliga-Coach bei Hannover 96 nach 13 sieglosen Spielen im April entlassen worden.
Um die sportliche Leitung angesichts des Abstiegskampfes nicht völlig auszutauschen, könnte Rosen (Vertrag ebenfalls bis 2018) noch eine Chance erhalten. Er habe „nach wie vor die Überzeugung, dass das die richtige Konstellation ist“ mit Gisdol, aber eine Entscheidungsgewalt hat er nicht: „Hopp ist der Boss.“
Der Direktor Profifußball hielt noch eine Lobrede auf Gisdol („Ich schätze den Mann sehr als charakterstarken, loyalen Trainer, als tollen Menschen“), die wie eine Abschiedsansprache klang. „Wir werden unser beider Zukunft nicht an den anderen binden“, erklärte Rosen aber klar. Seine Meinung über Gisdol werde er beibehalten, „auch wenn wir nicht mehr zusammenarbeiten. Dass dieser Zeitpunkt kommt, das wissen sowohl er als auch ich.“ Es sei normal, dass es in diesem Geschäft irgendwann nicht mehr passe. Dann ergänzte er noch: „Ich wünsche mir, dass dieser Zeitpunkt noch in ferne Zukunft ist.“