Bayern lässt Raum für Lahm Sportdirektor Brazzo legt los: „Kabine ist heilig“
München (dpa) - Im Blitzlichtgewitter der Fotografen nahm Hasan Salihamidzic beim FC Bayern seinen neuen Platz am Spielfeldrand ein.
Am Tag nach seiner Vorstellung tat der neue Mann in der Führungsriege des deutschen Fußball-Rekordmeisters beim Audi-Cup-Spiel gegen den FC Liverpool gleich das, was für ihn im Zentrum seiner künftigen Arbeit stehen soll. „Ein Sportdirektor muss nahe an der Mannschaft sein“, sagte der 40-jährige Bosnier. Auf der Bank war er am Dienstagabend ganz nahe dran bei Trainer Carlo Ancelotti und den Bayern-Spielern.
„Ich habe als Spieler in jedem Training, in jedem Spiel immer alles gegeben. Genauso werde ich meine Aufgabe als Sportdirektor anpacken“, versprach Salihamidzic. Als 15-Jähriger war er 1992 von seinen Eltern wegen des Bürgerkriegs in Bosnien zu Verwandten nach Hamburg geschickt worden. Verbissen kämpfte er sich hoch zum Fußball-Profi. Schon wegen des Werdeganges sollte niemand „Brazzo“ unterschätzen.
Über ein Jahr lang - seit dem Rückzug von Sportvorstand Matthias Sammer aus gesundheitlichen Gründen - war der prominente Posten des Sportchefs beim deutschen Rekordmeister verwaist. Ein Zustand, den auch die Bosse Karl-Heinz Rummenigge und Uli Hoeneß nicht länger erdulden wollten. „Uns ist klar geworden, dass wir diese Position dringend neu besetzen müssen“, erklärte Präsident Hoeneß. Und so wurde noch vor dem Start der neuen Saison ganz fix gehandelt.
Vorstandschef Rummenigge hatte nach den missglückten A-Lösungen mit Ex-Kapitän Philipp Lahm und Gladbachs Manager Max Eberl die Idee mit Salihamidzic. Bei Hoeneß machte der Vorschlag ebenfalls „klick“. Und jetzt ist Hasan Salihamidzic, der Champions-League-Sieger von 2001 mit der Bayern-DNA, plötzlich eine der spannendsten Personalien in der in Kürze startenden 55. Saison der Fußball-Bundesliga.
„Uli und ich, wir haben uns die Wahl ziemlich schwer gemacht“, sagte Rummenigge am Montagabend bei der Präsentation des neuen Sportchefs. Und sie gaben sich viel Mühe, dem Berufsanfänger Salihamidzic große Anschubhilfe zu geben mit einem Dreijahresvertrag und der Zusicherung vieler Kompetenzen bis zum Scouting und der Nachwuchsarbeit. „Und es wird keine Vertragsverhandlungen geben, bei denen Hasan Salihamidzic nicht mit am Tisch sitzt“, hob Aufsichtsratschef Hoeneß extra hervor.
Learning by doing lautet der Plan für den Sportdirektor ohne Berufserfahrung. „In diesem Geschäft gibt es viele Dinge, die nicht im Handbuch nachzulesen sind, sondern die man selbst erlebt hat und aus dem Bauch heraus entscheidet“, sagte Hoeneß zum Stellenprofil. „Hasan kennt den FC Bayern von der Pike auf. Was wir jetzt brauchen, ist ein Mann, der das Vertrauen der Spieler hat, der das Vertrauen des Vorstandes hat und der auch das Vertrauen der Fans hat.“
Salihamidzic ist eine Klassiker-Lösung, eine, wie sie Hoeneß gefällt. In Zeiten der Internationalisierung und Globalisierung des Fußballs ist Salihamidzic eine Retro-Entscheidung. Und dazu eine, die den Alphatieren Rummenigge (61) und Hoeneß (65) Raum und Zeit für weitere Gestaltungsmöglichkeiten im Personaltableau des FC Bayern lässt.
Ihre eigene Nachfolge werden sie auch irgendwann regeln müssen. Ein Sportdirektor Salihamidzic lässt Platz für ein Bayern-Comeback von Philipp Lahm, der sich ohnehin auf der Vorstandsebene sieht. Die Tür für Lahm stehe weiter auf, sagte Rummenigge. Salihamidzic sei nicht ein „Platzwarmhalter für Philipp“, stellte der Vorstandschef klar.
Der sprachgewandte Salihamidzic betrachtet sich ohnehin nicht als Notlösung. Er hat sich auch als Spieler in München mit seinem Biss gegen namhaftere Stars behauptet. „Mir war sofort klar, dass ich das machen möchte“, sagte er über seinen neuen „Traumjob“.
Er sprüht vor Ehrgeiz und Tatendrang. „Unser Kader ist einer der besten Kader der Welt. Wir haben einen der besten Trainer der Welt. Und unsere Führung, die ist auch Weltklasse. Wenn wir alle an einem Strang ziehen, haben wir eine große Chance, große Erfolge zu feiern“, sagte Salihamidzic. Erfolge werden beim deutschen Rekordchampion an Titeln gemessen. Matthias Sammer konnte in seinem ersten Jahr als Sportvorstand beim FC Bayern das historische Triple feiern.