St. Pauli in Not: Nun droht ein Geisterspiel

Hamburg (dpa) - Skandal am Millerntor. Nach dem Bierbecher-Wurf aus dem eigenen Fanblock steht der FC St. Pauli am Fußball-Pranger. Als wäre der Abstiegskampf nicht schlimm genug, drohen jetzt auch noch eine saftige Geldstrafe und sogar ein Spiel ohne Zuschauer.

Der FC St. Pauli hat seine Unschuld verloren. Trainer und Sportchef sind entsetzt, die Spieler erschüttert und die Gute-Laune-Fans zutiefst beschämt. Mit dem gezielten Wurf eines Plastikbechers voller Bier auf einen Schiedsrichter-Assistenten hat ein Haupttribünen-Besucher dem norddeutschen Bundesligisten einen Bärendienst erwiesen. Als Tatverdächtiger wurde ein 43-Jähriger noch im Stadion mit Hilfe der Ordner gestellt und vorübergehend festgenommen.

Nicht nur der Ruf der bisher als vorbildlich geltenden Anhängerschar des Aufsteigers ist nach dem Abbruch der Partie gegen den FC Schalke 04 ramponiert. Mehr noch: Den nach sechs Niederlagen in Serie tief im Abstiegssumpf steckenden Kiezclub erwartet nach der in der 88. Minute beim Stande von 0:2 (0:1) vorzeitig beendeten Partie noch eine harte Bestrafung durch den Deutschen Fußball-Bund.

„Der Kontrollausschuss wird zu Wochenbeginn seine Ermittlungen aufnehmen“, teilte der DFB mit. St. Pauli drohe eine hohe Geldstrafe oder sogar ein Heimspiel unter Zuschauerausschluss.

„Das Ganze ist eine einzige Katastrophe. So etwas darf im Fußballstadion nicht passieren“, meinte St. Paulis Trainer Holger Stanislawski trefflich. Dass die zum Zeitpunkt des Abbruchs durch Schiedsrichter Deniz Aytekin („Ich hatte keine andere Wahl“) nach Toren von Raul (26.) und Julian Draxler (66.) führenden Schalker die Punkte nachträglich am Grünen Tisch erhalten, gilt als sicher. St. Pauli hingegen droht weiteres Ungemach: Aytekin berichtete, seinem Kollegen Thorsten Schiffner gehe es „den Umständen entsprechend“, er müsse und werde den Vorfall aber im Spielberichtsbogen dokumentieren. „Alles andere wird dann das Sportgericht entscheiden“, ergänzte er.

St. Paulis Verantwortliche entschuldigten sich umgehend für das unrühmliche Ende des Spiels. „Da gibt es null Toleranz. Ich kann mich nur bei dem Linienrichter entschuldigen“, betonte Stanislawski. „Ich bin sehr enttäuscht, dass das passiert ist und kann mich im Namen des FC St. Pauli nur entschuldigen“, sagte auch Sportchef Helmut Schulte. Von dem vermeintlichen Täter wurden am Freitagabend die Personalien festgestellt, anschließend wurde er von der Polizei auf freien Fuß gesetzt.

Schulte wies auch darauf hin, dass gerade die St. Pauli-Fans in Deutschland einen guten Ruf genießen. „Für sie muss ich hier auch eine Lanze brechen. 99 Prozent von ihnen sind absolut in Ordnung, natürlich ist aber auch immer mal das eine oder andere schwarze Schaf darunter.“ Dessen ungeachtet erwarten seinen Verein Untersuchungen durch den DFB. „Dem müssen und dem werden wir uns stellen“, meinte der Sportchef des Kiez-Clubs weiter. Der Fall sei beim Sportgericht in guten Händen. „Dort wird man wissen, dass das ein Einzeltäter war und dass man die Fans oder den FC St. Pauli deshalb nicht in Sippenhaft nehmen kann“, so Schulte weiter.

Ralf Rangnick wies darauf hin, dass zwar auch auf der Seite der Trainerbänke Gegenstände durch die Luft geflogen seien, am Ende aber ein „Einzelidiot“ den Abbruch verursacht habe. „Das ist traurig genug für den Fußball.“ Sein geglücktes Comeback nach gut fünfjähriger Abstinenz von Schalkes Trainerbank wurde dadurch fast zur Nebensache. Ebenso wie die Erkenntnis, dass die Knappen unter ihrem neuen Coach zumindest phasenweise sehr ansehnlichen Offensiv-Fußball boten, statt wie unter Vorgänger Felix Magath verstärkt auf Defensive zu setzen.

Während sich S04 nach der so gut wie gebannten Abstiegsgefahr nun verstärkt den Champions-League-Viertelfinals gegen Titelverteidiger Inter Mailand widmen kann, wird der sportliche Überlebenskampf für St. Pauli immer brutaler. Denn neben den Punkten verlor der Club Jan-Philipp Kalla (Gelb-Rot/68.) und Fin Bartels (Rot/79.) durch Platzverweise - auch wenn Tore und Karten vorerst nicht gewertet werden. „Wir werten vorerst so, als hätte das Spiel nicht stattgefunden“, sagte ein DFL-Sprecher.

„Aus der Situation mit den paar Leuten, die wir noch haben, müssen wir das Beste machen“, forderte Stanislawski und versprach: „Wer glaubt, dass wir den Kopf nun in den Sand stecken, der irrt sich gewaltig.“