Torschützenkönig Kießling beweist es sich und Löw

Hamburg (dpa) - Stefan Kießling hat es sich selbst bewiesen - und es auch dem Bundestrainer gezeigt: Es gibt in Fußball-Deutschland derzeit keinen Besseren im Toreschießen.

Er marschierte in der 90. Minute allein auf HSV-Keeper René Adler zu und überwand seinen alten Kumpel abgebrüht zum 1:0-Sieg seines Clubs Bayer Leverkusen in Hamburg. In letzter Minute setzte sich der 29-Jährige mit 25 Treffern erstmals in seiner Karriere als Bundesliga-Torschützenkönig die Krone vor dem Dortmunder Robert Lewandowski (24) auf. 2010 hatte Kießling die Torjägerkanone noch um einen Einschuss verpasst.

„Es ist die Krönung einer tollen Saison, eine Riesenauszeichnung, das schafft man nicht alle Tage“, sagte Kießling mit der von HSV-Idol Uwe Seeler überreichten Torjägerkanone in der Hand. Und verriet: „Die kommt daheim ins kleine Spielzimmer.“ 25 Tore in einer Saison - soviel hat Kießling noch nie erzielt. Zum Vergleich: In diesem Jahrhundert schafften nur Vorjahressieger Klaas-Jan Huntelaar (29) sowie Mario Gomez, Grafite und Ailton (alle 28) mehr Treffer.

Dass Joachim Löw dennoch weiter einen großen Bogen um Kießling macht, lässt den mittlerweile kalt. „Da ist keine Genugtuung, da das nichts mit dem Bundestrainer zu tun hat. Das Thema Nationalelf ist für mich durch“, betonte der Nationalspieler (6 Einsätze), auf den Löw seit dessen Mitwirken bei der WM 2010 in Südafrika (Rang 3) nicht mehr baut.

Das Verhalten des Bundestrainers, der für sein Team andere Spielertypen als Kießling sucht, muss auch deshalb für den Toptorjäger schwer nachzuvollziehen sein, weil er mit seinen Toren und zehn Assists auch noch Topscorer der Liga ist. Kießling ist also nicht nur eiskalter Vollstrecker wie in Hamburg, sondern auch spielstarker Vorbereiter. Das alles aber ändert nichts.

Der bislang letzte deutsche Torschützenkönig, der nicht in der Nationalmannschaft spielte, hieß Martin Max. 2002 traf er für den TSV 1860 München 18 Mal.

Löw nimmt zwar fünf Leverkusener mit auf die USA-Reise (22. Mai bis 4. Juni) der DFB-Auswahl, Bayers treffsicherster Mann ist aber erneut nicht dabei. Obwohl die Asse der Champions-League-Finalisten Bayern München und Borussia Dortmund (25. Mai) und des Pokalfinales FC Bayern - VfB Stuttgart (2. Juni) in den USA fehlen. „Stefan hätte es verdient, aber Löw plant halt anders“, so Sportchef Rudi Völler.

Umso stolzer ist Kießling auf seine Saison-Ausbeute, mit der allen voran er Bayer zurück in die Champions League führte. „Dass es mit der Torjägerkanone geklappt hat, erfüllt mich mit Stolz. Sie gehört aber auch der gesamten Mannschaft, die Großes geleistet hat“, merkte der gebürtige Oberfranke strahlend an. Sein Tor gegen Adler war sein 111. in 279 Bundesliga-Spielen und kostete den alten Kumpel aus gemeinsamen Leverkusener Zeiten die Punkteprämie. Dazu meinte Kießling grinsend: „Okay, ich lade ihn zum Essen ein.“

Mit Rang zwei musste sich Robert Lewandowski begnügen. Dabei wandelte der Vorjahresdritte aus Dortmund zwischenzeitlich gar auf den Spuren von Bundesliga-Rekordschütze Gerd Müller, als er von Dezember bis April zwölf Mal in Serie traf und im Kampf um die Torjäger-Kanone vorn lag. Doch in den letzten vier Spielen traf der polnische Nationalspieler nur einmal.

Die Aussicht auf das Champions-League-Finale gegen den FC Bayern tröstete über die verpasste Trophäe hinweg. „Kein Problem. Vielleicht versuche ich es in der kommenden Saison noch einmal“, kommentierte Lewandowski. Bei welchem Club ließ er jedoch offen. Zudem besteht ja noch die Chance, sich zum besten Schützen der Champions League zu machen. Mit zwei Toren in London würde Lewandowski mit dem bisher führenden Cristiano Ronaldo (12/Real Madrid) gleichziehen.