Trainer Streich reißt SC Freiburg mit
Freiburg (dpa) - Die Faust von Christian Streich kracht laut auf den Tisch. „Das ist doch Wahnsinn“, flucht er, der Coach des SC Freiburg ist in diesem Moment so authentisch, als säße er in einer Besprechung mit seinem Trainerstab und nicht vor lauter Journalisten.
Der 46-Jährige hat sich im Nachhinein maßlos geärgert über das 2:2 (1:1) gegen Werder Bremen, aber wesentlich ruhiger ist er schon während des Spiels nicht gewesen. Streich läuft an der Seitenlinie hin und her, er treibt an, er gestikuliert, brüllt Anweisungen aufs Feld. Das alles mag eher ungewöhnlich sein in der Fußball-Bundesliga, aber es reißt seit Anfang des Jahres einen ganzen Verein im Kampf gegen den Abstieg mit. „Der Trainer lebt die Leidenschaft vor, die wir brauchen. Er ist ein emotionaler Typ - und das ist auch gut so“, sagt der Mittelfeldspieler Johannes Flum.
In der Tabelle wirkt sich die Arbeit des langjährigen Jugend- und Assistenzcoaches noch nicht aus. Der Punkt gegen Bremen war für die Freiburger zu wenig, um den letzten Platz zu verlassen, und er war erst recht kein angemessener Lohn für ihren großen Einsatz. Und trotzdem hat am Sonntag jeder der 22 000 Zuschauer gesehen, dass sich mit Streich etwas verändert hat in Freiburg - dass dieser Sport-Club lebt, an sich glaubt und das Letzte aus sich herauszuholen bereit ist. „Die waren sehr gut, sehr aggressiv. Es war schwierig, gegen sie zu spielen“, meinte auch Werders Debütant Zlatko Junuzovic.
Streich hat es geschafft, dass ein runderneuertes Team schon nach wenigen Wochen deutlich homogener und organisierter auftritt als der sträflicherweise kaum veränderte Kader der Hinrunde. Sechs Spieler haben die Breisgauer abgegeben im Januar, fünf Spieler haben sie dafür neu verpflichtet: Trotzdem lief gegen Werder schon vieles Hand in Hand. „Taktisch waren wir sehr gut. Außer zweimal. Das ist wahnsinnig ärgerlich“, sagte Streich und meinte damit die beiden Fehler vor den Gegentoren. „Aber die Jungs sind hochambitioniert. Sie tun alles für den Erfolg und wollen sich weiterentwickeln.“
Mit seiner emotionalen Art ist es Streich auch gelungen, die Fans wieder hinter die Mannschaft zu bringen. Selbst beim Stand von 1:2 sang das eher kritische Freiburger Publikum: „Steht auf, wenn ihr Badener seit.“ „Das hat schon was“, meinte Flum. „Der Trainer sagt uns immer, dass wir die Zuschauer mitreißen sollen. So muss es sein.“
Am Freitag spielt der Sport-Club beim VfL Wolfsburg, das ist in jeder Hinsicht ein Duell der Gegensätze. Auf der einen Seite Felix Magath, der Zyniker und Machtmensch, der zwischen sich und seinen Spielern gar nicht genug Distanz aufbauen kann. Und auf der anderen Seite Streich, die Vaterfigur, der auf den Tisch haut, wenn es die Situation erfordert, aber der nach dem Spiel gegen Werder auch jeden einzelnen seiner Profis in den Arm nahm. Bei solchen Begegnungen zeigt sich, dass Streich erst seit einem Monat Chefcoach in Freiburg ist. Seinen Kollegen nannte er am Sonntag „Herrn Schaaf“.